Es ist ein seltsamer Anblick. Eine schöne herbstliche Landschaft in Obertilliach. Fünf Grad am Morgen, die Sonne wärmt die Gesichter, die Wiesen sind grün, die Bäume tragen herbstlich goldene Blätter. Einige Meter weiter Schnee. Hat Frau Holle ihre Betten bereits geschüttelt oder sind Schneekanonen bereits in Betrieb? Weder noch. Es handelt sich um "Schnee von gestern", der bereitgestellt wurde für Topathleten der Biathlon- und Langlaufwelt, die das Trainingszentrum in Obertilliach aufsuchen. Rund 150 bis 200 Athleten aus Österreich, Deutschland, Italien, Slowenien, Australien, Kanada und Bulgarien werden in den kommenden Wochen im 670-Seelen-Bergsteigerdorf trainieren.
Möglich macht das eine österreichweit einzigartige Vorgangsweise, die man im Osttiroler Gailtal seit 2017 praktiziert: Das Snowfarming. "Im Jänner produzieren wir bei optimalen Minus 10 Grad einen trockenen Kunstschnee, den wir mit einer 50 Zentimeter dicken Hackschnitzelschicht über den Sommer abdecken", erklärt der Obertilliacher Bürgermeister Matthias Scherer, der auch Geschäftsführer des Langlauf- und Biathlonzentrums Obertilliach ist.
Innerhalb von zwei Tagen sind die 10.000 Kubikmeter Schnee entpackt, weitere drei Tage braucht das Auftragen auf die rund 2,5 Loipenkilometer. Ein Trainingssegen, vor allem für die nordischen Skiasse aus Österreich, die sich somit Trainingslager im Ausland ersparen können. Biathletin Julia Schwaiger schwärmt: "Die Obertilliacher machen das immer perfekt. Wir haben optimale Bedingungen, brauchen nicht nach Skandinavien fliegen und haben eine kurze Anreise. Das ist für eine gute Vorbereitung wichtig."
"Obertilliach ist ein guter Luxus"
Dem schließt sich auch Damencheftrainer Markus Fischer an, für den der Trainingsplatz in Obertilliach ein "guter Luxus" ist, zumal man auch länger Tageslicht als in Skandinavien hat. Derzeit arbeitet das Team am letzten Schliff, übt Geschwindigkeit am Schießstand und gewöhnt sich wieder an den Schneeuntergrund, bevor es am 27. November zum ersten Weltcuprennen im finnischen Kontiolahti geht. Zuvor finden zwei Qualifikationsrennen statt, die über die letzten Tickets für den Weltcupauftakt entscheiden.
Für die Gemeinde Obertilliach ist die herbstliche Wertschöpfung ein ordentlicher Gewinn. "Bis Weihnachten können wir schon 20.000 bis 25.000 Nächtigungen lukrieren. Die Betriebe haben dadurch die Möglichkeit, Ganzjahresstellen zu haben", informiert Scherer. Und man hat ein klares Ziel: "Wir wollen das beste Trainingszentrum Europas werden." Da sei man auf einem guten Weg, das zeige die Frequenz und die Zustimmung der Teams - so der Geschäftsführer.
Auch wenn das Trainingszentrum bereits eine Jugend-WM ausgerichtet hat und regelmäßig Gastgeber des IBU-Cups ist, so gibt es noch kein Weltcuprennen in Obertilliach. "Dafür fehlt uns die Infrastruktur", sagt Scherer. "Wir hätten sicher alle Tage bis zu 10.000 Zuschauer im Stadion. Doch die haben natürlich auch gewisse Bedürfnisse. Dafür wären wir im Moment nicht in der Lage, das zu stemmen", erklärt Scherer und fügt hinzu: "Man muss immer seine Schuhgröße wissen." International bewerben sich zahlreiche Orte, zudem gibt es in Tirol bereits einen Weltcupaustragungsort. Scherer: "Hochfilzen macht den Weltcup, alles andere machen wir und damit fahren wir derzeit ganz gut."