"Mama, ich freu mich so auf die Maus - und auf den Clown." Es ist 16.36 Uhr, Dimitri Würschl sitzt am Ticketschalter in einem Häuschen auf dem Ebnerfeld in Lienz und verkauft Eintrittskarten. Hinter ihm ragt ein großes rot-weißes Zirkuszelt in die Luft, mit den Lettern seines Vornamens auf dessen Spitze. In wenigen Minuten wird sich Dimitri umziehen. Dann verwandelt er sich pünktlich um 17 Uhr vom Kartenverkäufer in den Zirkusdirektor des "Circus Dimitri". Dieser gastiert derzeit - bis einschließlich 26. Juni - in Lienz. Den Wegweiser gibt ein freundlicher Clown. Im Zirkuszelt strömt der vertraute Geruch von Popcorn, Zuckerwatte und Planenmaterial entgegen. "Viel Spaß und gute Unterhaltung in unserer bunten Zirkuswelt. Manege frei", ruft der Direktor ins Publikum.
Schabernack, Akrobatik und Geschwindigkeit
Der freundliche Clown von zuvor nennt sich offenbar Leon Alberto, hat so manch Schabernack auf Lager und hält sogar den Zirkushund Henry für einen echten Löwen und wartet auf dessen Gebrüll. Die Italienerin Jessyka Jasters jongliert mit ihren Füßen "fliegende Teppiche", die Französin Tessa Zavata verblüfft mit knochenbrecherischer Kautschuk-Akrobatik. Sonny Caveaga ist Tempojongleur und beeindruckt mit Geschwindigkeit, Jessika Jasters schwebt über dem Publikum und schwingt und gleitet in einigen Metern Höhe durch den Luftring und "Stefano" ist mit dem wirklichen hohem Hocheinrad unterwegs.
Doktor Eisenkinn
Und auch Direktor Dimitri sorgt mit seinem "eisernen Kinn" für Staunen. Doch Highlight jeder Show ist der Auftritt von Augustine Mausini, der "einzigen Zirkusmaus der Welt". Sie gleitet nach einem Drahtseilakt mit einem maßgeschneiderten Mini-Heißluftballon durch die Manege. Lautes Gelächter, großes Staunen und weit aufgerissene Kinderaugen - all diese Emotionen führen die rund zwei Stunden Vorführung herbei. Dabei vergisst man für kurze Zeit alles, was in der Welt außerhalb dieses Zelts für 150 Personen passiert - das ist die wahre Magie der Zirkusshow.
Eine Magie, die Dimitri Würschl schon vor 27 Jahren eingefangen hat. Damals war er sechs Jahre alt und besuchte zum ersten Mal einen verschneiten Zirkus am Stadtrand von Klagenfurt, wo Würschl aufwuchs. Seine Augen leuchteten als er die Manege betrat und veränderten sein Leben: "Ich wusste sofort, das ist genau das, was ich machen möchte." Ohne Erfahrung, Artisten- oder Zirkusfamilie im Rücken näherte er sich peu à peu dem Ziel, doch legte zuvor noch einen akademischen Zwischenschritt ein und promovierte Philosophie.
Seit drei Jahren ist er mittlerweile mit seinem 13 Jahre jüngeren Bruder Leon (der freundliche Clown) unterwegs. Dabei müssen die beiden Brüder sowie die fünf Artisten, die je für eine Saison mitfahren, wahre Multitalente sein: Plakate aufhängen, Transport organisieren, Karten verkaufen sowie alle weiteren bürokratischen und logistischen Schritte müssen erledigt werden. Bis auf eine kleine Winterpause sind sie das gesamte Jahr unterwegs, verweilen in österreichischen Städten meist einige Tage bis wenige Wochen und leben ihren Traum. "Man muss nur hart dafür kämpfen, dann erfüllen sich die Träume", will Dimitri Würschl auch andere motivieren.