Hätte es in den 1980-er Jahren schon Google gegeben, die Suchmaschine hätte unter „Osttirol“ in der ersten Hälfte der Dekade „Walder“ und „Wilderer“ sowie in der zweiten „Dorfertal“ und „Kraftwerk“ als häufigste Bezugswörter ausgespuckt. Für die jüngere Zeit könnten es „Wolf“ und „Bär“ ebenso sein wie „Schnee“ und „Radler“. Vom erschossenen Jagdfrevler über die verhinderte Talsperre bis zur Rückkehr der Beutegreifer und einem Winter wie damals fügt sich alles zu einem „anders“ zusammen.

Vor allem dieses Anderssein macht den Bezirk zu einem der chancenreichsten in Österreich. Der touristische Nachzügler des Industriezeitalters könnte zum digitalen Vorreiter einer ökosozialen Ära werden. Die Anstrengungen dazu insbesondere in der Stadt sind beachtlich. Die Ignoranz dem gegenüber vor allem am Land ist es auch. Österreichs einziger Bezirk, der als Landesteil bekannter ist als unter dem Namen seines Hauptortes, erscheint als Mikrokosmos gesellschaftlicher Spaltung.

Wer heute „Osttirol“ oder „Lienz“ googelt, erhält aber durchwegs das gleiche beherrschende Thema: Österreichs höchste Sieben-Tage-Inzidenz bei Corona. Die Region führt in der Negativ-Hitparade von 94 Bezirken und Innervillgraten unter 2095 Gemeinden. Sein Wert über 1000 sorgt für internationale Schlagzeilen. Das prägt sich ein ins kollektive europäische Gedächtnis wie die Schneemassen im Winter. Denn Krankheit und Wetter sind leichter zu verstehen als Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Dieses „anders“ aber ist nicht wie Wölfe, Bären, Radler und Wilderer gut vermarktbar als Kontrapunkt zur Aufholjagd in die Moderne. Die niedrige Impfquote verstärkt bloß die negativen Facetten des Hinterwäldlerischen. Sie verfestigt ein Bild von Osttirol als „hinter den sieben Bergen“. Sie verschärft die geistige Abschottung von außen. Sie ist einer zukunftsträchtigen Region unwürdig.
Zumindest dieses Argument sollte stechen und zu Stichen führen. In Osttirol zeigt sich deutlich, wie wenig Scheu, Furcht oder Verweigerung in Sachen Impfung Privatsache sein können, wenn dadurch die Gemeinschaft leidet.

Es muss jedem bewusst sein, dass seine Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, ein Affront gegenüber allen ist, die seit Jahren das positive Image des Bezirks fördern. Die massenhafte individuelle Ablehnung der kleinen Stiche sorgt für eine internationale Rufschädigung Osttirols. Noch kann es mit einer positiven Schubumkehr das Gegenteil erreichen. Lasst euch impfen!