Was bedeutet für Sie, daheim in Osttirol zu sein?

NORBERT TOTSCHNIG: Daheim zu sein bedeutet für mich Erholung. Ich bin leider sehr selten in Osttirol – drei Mal im Jahr – aber wenn ich hier bin, dann ist es ein sehr intensiver Aufenthalt. Ich schaue mich auch um, wie es aktuell in der Region läuft.

Und wie läuft es?

Aktuell haben wir in der Landwirtschaft das Thema Trockenheit. Das ist regional aber sehr unterschiedlich. Ein sehr emotionales Thema ist auch der Wolf. Die Bauern sorgen sich auch um den Mercosur-Handelspakt.

Apropos Wölfe. Was wäre eine Lösung?

Wir haben eine EU-Rechtslage, die in den 1980er Jahren entstanden ist. Der Rechtsrahmen ist so eng, dass wir uns kaum rühren können. Das Raubtier kommt zurück und breitet sich aus. Was nicht geht, ist, dass wir zusehen wie die Nutztiere gerissen, die Bauern demotiviert werden und die Almwirtschaft zugrunde geht. Damit verlieren wir die Kulturlandschaft – das wollen wir nicht. Daher kämpfen wir für eine Regelung mit mehr Spielraum und Flexibiliät.

Das heißt?

Dass man beispielsweise Weideschutzgebiete ausweisen kann, in denen wir das Raubtier nicht haben wollen. Und wenn es da ist, wird es entnommen. Die Kombination Herdenschutz mit Hunden ist in unseren Gebieten praktisch und ökonomisch nicht möglich.

Kommt der Wolf, geht der Bauer?

Kommt der Wolf, dann wird es vielerorts so sein, ja.

Bezüglich Dürreschäden, ist die Hagelversicherung die einzige Lösung für Bauern?

Die Hagelversicherung ist eine Elementarschadensversicherung, welche Schäden abfedert, wenn es wirklich grob fehlt. Die Hagelversicherung ist aber keine Ertragsausfallversicherung. Jeder Bauer muss sich selbst durchrechnen, inwieweit das Produkt interessant ist. Eine Versicherung ist immer besser als gar nichts.

Auch das Thema Tierwohl rückt in den Mittelpunkt. Handelsketten werben vermehrt mit Laufstall und freilaufenden Tieren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Tierwohl ist ein gesellschaftliches Anliegen und die Bauern müssen sich damit auseinandersetzen. Was beim Tierwohl nicht passieren darf, ist, dass den Bauern Standards vorgegeben werden, die sie nicht mehr erfüllen können. Das führt dazu, dass heimische Betriebe schließen und mehr importiert wird – die Standards der importierten Waren interessieren offensichtlich aber niemanden.

Beim Blick auf die vergangenen Jahre, was hat sich in der Landwirtschaft verändert?

Die Bauern werden immer professioneller. Jene in den Gunstlagen können sich besser entwickeln als jene in den Berglagen. Diese sind strukturbedingt weit mehr gefordert. Ein Gruppe spezialisiert sich sehr stark und die anderen schauen, wie sie überleben. Das wird für die Zukunft eine entscheidende Frage sein, wie man das agrarpolitisch gestaltet, damit die Bergbauern eine Chance haben, zu bleiben.

Norbert Totschnig im Gespräch mit Mersiha Kasupovic
Norbert Totschnig im Gespräch mit Mersiha Kasupovic © Kasupovic

Wie könnte das aussehen?

Die Ausgleichszahlungen für Bergbauern sind ein ganz wesentliches Element. Ab 2020 wird eine neue Gemeinsame Agrarpolitik kommen. Hier ist wichtig, dass die Bergbauern wieder eine starke Unterstützung bekommen, sonst haben wir im Berggebiet ein Problem. Das zweite sind Erwerbskombinationen, dort wo es möglich ist. Ein ganz emotionales Thema bei Bauern ist auch die Wertschätzung für ihre Arbeit. Und diese spiegelt sich im Produktpreis wieder. Wenn sie einen guten Preis bekommen, ist das eine zusätzliche Motivation. Deshalb setzen wir ganz stark auf die Herkunftskennzeichnung. In Osttirol höre ich, dass es sehr gut funktioniert, dass regionale Produkte gekauft werden, und das ist ausschlaggebend. Außerdem haben wir hier in Osttirol eine hohe Verbundenheit mit dem Hof, die in anderen Bundesländern weit schwächer ist.

Und wie sieht es mit Hof-Nachfolgern aus?

Das ist ein Dauerthema. Dort, wohin die Frau geht, geht auch das Leben. Daher sind Infrastruktur, Kinderbetreuung und Mobilität wichtige Themen in den ländlichen Regionen. Das Wichtigste in der Landwirtschaft ist die Freude am Beruf.

Warum haben Sie eigentlich Osttirol verlassen?

Das hat sich schulisch ergeben. In Innsbruck habe ich Internationale Wirtschaftswissenschaft studiert. Beruflich boten sich mir in Wien bessere Chancen.

Gibt es irgendetwas, das Sie in Wien vermissen?

Die Natur und die Bergwelt, das ist ganz klar. Deshalb gehe ich als Ausgleich „jagern“.

Wölfe?

Natürlich nicht, das ist ja verboten (lacht). Im Wiener Wald gibt es Rotwild, Rehwild, Schwarz- und Gamswild.

Abschließend, können Sie sich vorstellen, irgendwann nach Osttirol zurückzukehren?

Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aus diesem Grund habe ich einen kleinen Baugrund in Tristach.