Schon bevor in Osttirol die Gemeindewahlergebnisse der Nationalratswahlen offiziell geworden sind, stand eines fest: Die ÖVP liegt in Osttirol mit etwas mehr als 49 Prozent zwar an erster Stelle. Der Wahlsieger im Bezirk ist aber klar die FPÖ. Die Freiheitlichen konnten ihr Ergebnis von 2019 in Osttirol verdoppeln. In der Bezirkszentrale der ÖVP in Lienz sorgte das für lange Gesichter. Für die ÖVP ist das eine gehörige Watschn, gerade weil Spitzenkandidat Minister Norbert Totschnig um sein und um das Leiberl der Volkspartei im Bezirk gelaufen ist. Bundesrat Markus Stotter, der Bezirksobmann der ÖVP, sagte dazu: „Der Souverän hat entschieden, aber wir sind mit dem Ergebnis wirklich nicht zufrieden.“ Der Protest habe den Vorzug bekommen. „Wir kämpfen aber weiter“.

In Kals stürzte die ÖVP ab

Tatsächlich haben die Freiheitlichen in den Gemeinden des Bezirkes abgeräumt. In Amlach etwa, oder auch in Lavant, wurde die ÖVP von der FPÖ überholt. In Nikolsdorf schreibt die Volkspartei gar einen Verlust von 20 Prozent. In Tristach, der Heimatgemeinde von ÖVP-Spitzenkandidat Norbert Totschnig, holte die ÖVP 40,45 Prozent der Stimmen und die FPÖ 25,24 Prozent. Klar überholt wurde die ÖVP auch in Dölsach mit ihren 31,17 Prozent. Auch hier, in der Gemeinde des ÖVP-Landtagsabgeordneten Martin Mayerl, verliert die Volkspartei über 20 Prozent. Die FPÖ erreichte 38,7 Prozent. Und in Nußdorf-Debant ereignete sich das selbe Spiel: FPÖ überholte ÖVP. Und in Kals musste die ÖVP ein Minus von 27,87 Prozent einstecken, soviel, wie nirgends im Bezirk. Blau geworden ist auch die Tauerngemeinde Matrei mit 41,41 Prozent FPÖ-Stimmen. Lienz ist knapp an einer Übernahme der Freiheitlichen ( 27,76 Prozent) vorbeigeschrammt. Hier war trotz der SPÖ-Bürgermeisterin Elisabeth Blanik die ÖVP stärkste Partei mit 29,75 Prozent.

Virgen bleibt „blaueste“ Gemeinde

Kaum punkten konnten die Freiheitlichen in der Heimatgemeinde des „blauen“ Europaparlamentariers Gerald Hauser. Hier sahnte die ÖVP 60,37 Prozent der Stimmen ab. Die FPÖ holte sich 17,06 Prozent.

Virgen bleibt die „blaueste“ Gemeinde Osttirols. Hier hat die FPÖ um fast 20 Prozent auf 47,61 Prozent zugelegt, die ÖVP 24 Prozent verloren. Ginge es nach Virgen, dann wäre die Bierpartei im Nationalrat. Sie erreichte 4,22 Prozent. Mit Stefan Obkircher war ein Virger Tiroler Spitzenkandidat dieser Partei.

René Reiter, Spitzenkandidat der FPÖ in Osttirol, jubelte nach der ersten Hochrechnung gemeinsam mit Parteifreunden in Lienz
René Reiter, Spitzenkandidat der FPÖ in Osttirol, jubelte nach der ersten Hochrechnung gemeinsam mit Parteifreunden in Lienz © Christoph Blassnig

Die SPÖ ist erfreut über leichte Zugewinne

Die SPÖ hat in Osttirol leicht an Stimmprozenten dazugewonnen. Die stärksten Gemeinden neben Lienz (16,52 Prozent) sind Nikolsdorf mit 15,9 Prozent, Nußdorf-Debant mit 14,99 Prozent, Leisach mit 13,55 Prozent, Dölsach mit 12,85 Prozent oder Tristach mit 11,76 Prozent.

Für Spitzenkandidatin Sabine Walder sind die brennendsten Themen im Bezirk genau jene, die ihrer Meinung nach auch im Bund anstehen würden: Gesundheit, Kinderbetreuung und Altersarmut. „Mit dem Ergebnis bin ich zufrieden, ich hätte mich aber auch über ein noch besseres Abschneiden gefreut.“

Die SPÖ freut sich über leichte Zugewinne in fast allen Gemeinden in Osttirol
Die SPÖ freut sich über leichte Zugewinne in fast allen Gemeinden in Osttirol © Christoph Blassnig

NEOS an vierter Stelle: „Haben eine stabile Basis geschaffen“

Die NEOS konnten in Gaimberg, in St. Jakob in Defereggen und in Thurn mehr als zehn Prozent der Wähler überzeugen. Mehr als neun Prozent erreichten die NEOS in Heinfels, Leisach, St. Veit in Defereggen und in Tristach. „Zweistellig zu sein in mehreren Gemeinden ist eine positive Entwicklung“, kommentierte Osttirol-Sprecher Domenik Ebner das vorläufige Ergebnis.

Grün im Bezirk halbiert

Die Grünen holten ihr bestes Ergebnis im Bezirk in der Gemeinde Thurn mit 10,29 Prozent der Stimmen. In Gaimberg, Leisach, Strassen und in Tristach schafften sie die 7-Prozent-Marke. Die Lienzer Gemeinderätin Gerlinde Kieberl verweist auf die schwierige Ausgangslage als Juniorpartner in der Regierungskoalition. „Wir Grüne haben in den vergangenen fünf Jahren Durchhaltevermögen, Linientreue und Toleranz bewiesen. Das Impfthema rund um Covid hat vieles von dem überdeckt, was gelungen ist.“

Alle Infos und Geschichten zur Nationalratswahl

Die regionalen Kandidaten aus dem Bezirk Lienz

Wie war Osttirol in der letzten Periode im Nationalrat vertreten? Als einziger Abgeordneter des Bezirks saß Gerald Hauser (FPÖ) im österreichischen Parlament. Heuer im Frühjahr kandidierte Hauser dann bei den Europawahlen und wechselte nach dem Wahlerfolg der FPÖ im Juli als Abgeordneter in das Europaparlament in Brüssel beziehungsweise in Straßburg, gemeinsam mit der Tiroler ÖVP-Kandidatin Sophia Kircher. Auf Hausers Sitz im Nationalrat dürfte die Innsbrucker Ökonomin Barbara Kolm nachfolgen, die auf der Landesliste der FPÖ an zweiter Stelle kandidiert.

Bei den letzten Nationalratswahlen im Jahr 2019 wollte der Obertilliacher Bürgermeister Matthias Scherer (ÖVP) den Sprung in den Nationalrat schaffen, doch trotz einem deutlichen Plus von neun Prozent und einem Stimmenanteil von rund 55 Prozent für die Türkisen im Bezirk wurde nichts aus dem verheißenen ÖVP-Mandat für Osttirol.

Diesmal kandidierte für die Volkspartei der aus Tristach stammende Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Er trat bei dieser Wahl nicht nur als Spitzenkandidat in seinem Heimatbezirk Lienz an, sondern stand für die ÖVP auch an erster Stelle im Bundesland Tirol.

Hier finden Sie die Kandidaten-Listen aller Parteien

Offizielle Wahl-Informationen des Innenministeriums

Rückblick auf die Ergebnisse 2019

Bei der Wahl vor fünf Jahren – die bundesweite Wahlbeteiligung betrug damals 76,9 Prozent – wurde wie folgt gewählt:

Die ÖVP erreichte im Bezirk Lienz bei einer Wahlbeteiligung von 70,88 Prozent einen Stimmenanteil von 55,14 Prozent (ein Plus von genau 9 Prozent). Die FPÖ verlor im Vergleich zum Wahlgang zwei Jahre zuvor zwar 9,46 Prozent der Stimmen, landete in Osttirol aber erstmals an zweiter Position, bei einem Stimmenanteil von 14,79 Prozent.

Die Grünen (11,14 Prozent) legten fast acht Prozent zu und holten im Bezirk den dritten Platz. Abgeschlagen landete die SPÖ auf Platz vier, bei einem Stimmenanteil von 8,97 Prozent, und mit nur noch geringem Abstand zu den NEOS, die 7,75 Prozent aller gültigen Stimmen erhielten. Die KPÖ erreichte in Osttirol einen Anteil von 0,37 Prozent aller Stimmen.