Für die nächsten 14 Tage herrscht im Osttiroler Oberland akuter Ärztemangel. Einem niedergelassenen Allgemeinmediziner hat die Österreichische Gesundheitskasse ÖGK mit Wirksamkeit ab August den Kassenvertrag entzogen – wegen eines strafgerichtlichen Urteils. „Das Erlöschen kraft Gesetzes geschah auf Grund des Urteils automatisch“, teilt die Gesundheitskasse in Innsbruck auf Anfrage mit. „Sobald ein Urteil dieser Art in Rechtskraft erwächst, erlischt ein Kassenvertrag. Weitere Gründe sind nicht notwendig.“ Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei keine weitere Auskunft möglich, erklärt auch die Ärztekammer Tirol.

Ob der verurteilte Arzt seine Praxis zwischenzeitlich als Wahlarzt weiterführt, ist derzeit noch nicht klar. Der Mediziner war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Die Praxis ist seit vergangenem Montag geschlossen.

Der Notarztverband stellt die Versorgung sicher

„Der Notarztverband steht rund um die Uhr in Bereitschaft. Wir sind jederzeit unter der bekannten Rufnummer 0664 155 99 20 erreichbar“, erklärt Gernot Walder, Obmann des Verbandes. Es sei nicht das erste Mal, dass der Verein einspringen müsse, um die medizinische Versorgung in Osttirol am Leben zu halten. „Wir haben das im Defereggental geleistet, im Vorjahr im Virgental, also wird es jetzt auch im Pustertal zu keinen Problemen diesbezüglich kommen“, führt der Notfallmediziner Gernot Walder aus. „Dauerlösung kann das natürlich keine sein. Die Zuständigen in der Ärztekammer und in der Gesundheitskasse müssen Lösungen vorlegen. Bis der zweite Arzt in der Gemeinde zurückkehrt, tragen wir jedenfalls unseren Teil zur Absicherung der Versorgung bei.“

Obmann Gernot Walder springt mit dem Notarztverband ein
Obmann Gernot Walder springt mit dem Notarztverband ein © Ruggenthaler

Schon bisher war zum Beispiel die Einteilung der Wochenenddienste eine Herausforderung für die wenigen behandelnden Ärzte im Pustertal. Fällt nun auch noch der kürzlich verurteilte Kollege im Dienstrad aus, wird die Organisation schwierig.

Prekäre Personalsituation unter den Ärzten im Pustertal

Die medizinische Versorgung im Pustertal hängt schon länger am Tropf. Die niedergelassene Kassenärztin Rhonda Sternik befindet sich seit einem knappen Jahr im Krankenstand. Eine offizielle Vertretung für ihre Patienten hat die Vertragsärztin nicht eingesetzt. Lukas Hofer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, weiters Arzt für Allgemeinmedizin sowie Notarzt, weilt für zwei Wochen im Urlaub.

Die aktuelle Auflösung des Kassenvertrages für den praktischen Arzt kommt aus Patientensicht also mehr als ungelegen. Seit einigen Tagen machen sich Patienten aus dem Pustertal auf den Weg bis nach Lienz, um sich dort bei niedergelassenen Ärzten behandeln zu lassen. Im Talboden herrscht aber ebenfalls Personalnotstand, weil die Ärztekammer für zwei von zwölf Kassenstellen keine Interessenten findet. Unter den zehn praktischen Medizinern im Lienzer Talboden hat sich etwa die Hälfte einen absoluten Aufnahmestopp von neuen Patienten verordnet.

Die Gesundheitskasse bestätigt, dass derzeit zwei Kassenstellen im Raum Lienz unbesetzt sind: „Diese Stellen werden gemeinsam mit der Ärztekammer für Tirol laufend ausgeschrieben. Die ÖGK arbeitet nun an Übergangslösungen, damit die Pustertaler Versicherten nicht nach Lienz ausweichen müssen. Wir sind zuversichtlich, die Situation in Kürze gut zu lösen, sodass in der Region langfristig wieder alle Kassenstellen besetzt sind.“