Andreas Schätzle dürfte seine Absage nicht leicht gefallen sein: „Es ist natürlich nicht einfach, den inneren Weg und die persönlichen Beweggründe nachzuzeichnen, die mich dazu bewogen haben, zurückzuziehen. Letztlich habe ich für mich erkannt, dass mir der Schritt zu groß ist, diese fünf Pfarren auf dem Weg zum Seelsorgeraum zu übernehmen, mit all den strukturellen Veränderungen und Herausforderungen, die damit verbunden sind. Mir ist klar geworden, dass es nicht meine Berufung ist.“
Der singende YouTube-Priester steht noch bis August in einem Beschäftigungsverhältnis bei Radio Horeb (Radio Maria Deutschland) im Allgäu. „Was danach kommt, ist noch offen und noch nicht mit meinem für mich verantwortlichen Bischof in Wien, Kardinal Schönborn, besprochen. Auch wenn ich gerne, so es zeitlich möglich ist, Gottesdienstvertretungen im Dekanat Sillian übernehme, wie ich es schon die letzten Jahre gehalten habe, scheint es mir aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich, zu einem späteren Zeitpunkt die Aufgabe des Pfarrers im Seelsorgeraum zu übernehmen“, teilt Schätzle in einer schriftlichen Erklärung mit, dass sein Entschluss, nicht nach Osttirol zu kommen, unumstößlich ist.
Kaum Nachwuchs für das Priestertum
Die Personalsituation der katholischen Kirche in Tirol darf als prekär bezeichnet werden, ebenso in Osttirol. Josef Mair, seit September des Vorjahres interimistisch Dekan in jenem Seelsorgeraum Sillian-Hochpustertal, den Andreas Schätzle übernehmen hätte sollen, verschiebt seinen Pensionsantritt wegen der überraschenden Absage seines Priesterkollegen um ein Jahr. „Ich bin Gott sei Dank gesund und habe dem Bischof meine Bereitschaft bekundet.“ Das Oberhaupt der Innsbrucker Diözese habe ihm im Gespräch mitgeteilt: „Ich kann keinen anderen schicken, weil ich keinen habe.“ Offenkundig veranlasste die akute Personalnot den Bischof, in Wien nach einem möglichen Neuzugang für Osttirol zu suchen. „Wir haben gehofft, dadurch für die nächsten Jahre abgesichert zu sein“, sagt der Lienzer Dekan Franz Troyer.
Die Diözese verzeichnet allein im heurigen Jahr 17 Pensionierungen von langdienenden Priestern. Dem gegenüber stehen nur eine Handvoll Männer, die derzeit das Priesteramt anstreben und vier bis fünf Jahre bis zum Abschluss ihrer Ausbildung benötigen. „Da muss man nicht mehr viel rechnen“, bedauert Troyer. „Die Situation ist brenzlig.“
„Die Diakonweihe von Frauen erlebe ich noch“
Der Lienzer Dekan sieht nur einen Ausweg und wird deutlich: „Am Frauenpriestertum führt kein Weg vorbei. Zumindest die Diakonweihe von Frauen erlebe ich noch. Davon bin ich überzeugt.“ Der Papst habe die Diskussion zur Rolle der Frauen in der laufenden Synode zwar offiziell zurückgestellt und sich deshalb Kritik eingefangen. „Ich deute diesen Schritt jedoch so, dass er eine mögliche Pattsituation gesehen hat und ein daraus resultierendes Nein verhindern wollte. So bleibt das Thema zumindest offen und kann reifen“, interpretiert Troyer den Schritt des Papstes.
Laien übernehmen Aufgaben in den Pfarren
Die Bildung von Seelsorgeräumen im ganzen Land, die jeweils aus mehreren Pfarren bestehen, sei zweifelsohne „eine Notlösung“, meint Josef Mair. „Früher sind unsere Missionare in die Welt hinausgezogen. Jetzt sind wir selbst ein Missionsgebiet geworden“, schätzt der Sillianer Dekan die aktuelle Lage ein. „Ich resigniere deshalb aber nicht. Nie!“
Die Kirche erscheine durch das Engagement Ehrenamtlicher in einer neuen Gestalt. „Unsere Laien sind heute viel zahlreicher, und dazu noch viel aktiver, als früher.“ Ohne die rege Mithilfe von Frauen, Männern und Jugendlichen sei die Organisation aller Aufgaben schon in einer Pfarre zu viel für eine Einzelperson. „Das Team in der Pfarre Außervillgraten zum Beispiel ist sehr gut eingespielt.“
In allen Pfarren seines Seelsorgeraumes seien Wortgottesdienst-Leiter und Kommunionhelfer aktiv, zeigt sich der Geistliche dankbar. „Auch ein Priester darf einmal krank werden.“ Besonders hebt der Dekan den Einsatz von Angelika Fürhapter und Ruth Steidl als Begräbnisleiterinnen im Seelsorgeraum Sillian-Hochpustertal hervor.