Angesichts der alljährlichen altgewohnten Kitz-Zelebration bleibt die Frage: Alles beim Alten in Tirol? Jein. Die Medien-Sause zum Hahnenkamm-Spektakels unterscheidet sich von der Regional-Wirklichkeit so stark wie veröffentlichte und öffentliche Meinung. Der ORF repetiert sein gewohntes vermeintliches Heimspiel an einem Ort, der für Tirol so außerirdisch und untypisch ist wie sonst höchstens Ischgl.
Doch das Land hat sich seit seiner negativen Auffälligkeit im Zuge der Pandemie verändert und es wandelt sich weiterhin – kontinuierlich und dadurch kaum merklich. Doch auch die Außensicht registriert, dass spätestens seit der jüngsten Wahl ein anderer Wind weht. Das hat weniger mit dem schwarzen Wechsel vom grünen zum roten Regierungspartner zu tun als mit den handelnden Personen. Tirol wirkt heute weniger auftrumpfend, sondern eher Ausgleich suchend als zuvor.
Das tut dem Land gut. Die früher geradezu abstoßende Selbstherrlichkeit kam zwar nicht von Günther Platter, aber er hat sie – wie vieles – mitgetragen. Die entfremdende Selbstgerechtigkeit war zwar nicht Ingrid Felipe geschuldet, doch sie hat sie – wie zahlreiches anderes – zugelassen. Erst auf dieser Grundlage konnten verzerrende Tirol-Fremdbilder entstehen; infolge von Exponenten wie Christoph Walser, deren Selbstverständnis per Tunnelblick bis zur Anmaßung der Landesverkörperung reichte.
Das hat sich nicht nur wegen Rückzügen erledigt. Wenn heute manch vereinzeltes Gehörl kein übermäßiges Gehör findet, liegt das vor allem am neuen politischen Spitzenpersonal. ÖVP-Landeshauptmann Anton Mattle und sein SPÖ-Stellvertreter Georg Dornauer tragen sehr unterschiedlich aber gleichermaßen dazu bei. Der Ex-Bürgermeister von Galtür hat nach anfänglichen Tritten in Kommunikationsfettnäpfchen jene ruhig zurückhaltende Souveränität kultiviert, die ihn ausmacht. Der einstige Gemeindechef von Sellrain ist von früheren Ausritten geheilt in einer ebenfalls authentischen Balance aus Gestaltungsfähigkeit, Bühnendrang und Selbstdarstellung gelandet. Diese komplementäre Beziehung wird durch gegenseitiges Gönnen von Erfolgen noch stärker. Deshalb hat das ungleiche Paar bisher auch im Slalom durch die Erblasten von MCI bis Tiwag nicht eingefädelt.
Dass die ersten 15 Monate dieser Landesregierung besser verlaufen sind, als bei ihrem Antritt vermutet wurde, zeigt auch, dass Mattle wie Dornauer in ihren Parteien überproportionales Gewicht gegenüber der Stärke Tirols haben. Ihr Ruf nach einer Zusammenarbeit von ÖVP und SPÖ im Bund findet weithin Gehör. Vor allem, weil die beiden vorzeigen, wie konstruktiv das funktionieren kann.