Im Herbst 2022 hat das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mehrere Rechtsfragen zur Auslegung der derzeit geltenden Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) für eine so genannte Vorabentscheidung übermittelt. Die Generalanwältin hat ihre Schlussanträge hinsichtlich der Möglichkeit der länderübergreifenden Betrachtung der Wolfspopulation, der Zumutbarkeit von Abwehrmaßnahmen oder der Schadensbewertung vorgelegt. Diese sind für das Gericht nicht bindend. Eine Entscheidung des Gerichts wird Mitte des Jahres erwartet.

Als „teils erfreulich, teils enttäuschend und insgesamt wenig überraschend“, bezeichnet Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP) die Ausführungen der Generalanwältin. „Auch heuer wird es Abschussverordnungen nach der seit 2023 in Tirol geltenden Rechtslage geben. Wir werden die Herdenschutz-Pilotprojekte fortführen. Unser Ziel auf EU-Ebene ist und bleibt die Änderung der 30 Jahre alten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie. Der Wolf ist keine gefährdete Tierart und gehört reguliert wie andere Wildtierarten auch“, betont Geisler. Die Empfehlungen der Generalanwältin haben für Tirol keine unmittelbaren Auswirkungen.

Abschussbescheid aus 2022 wurde beeinsprucht

Derzeit werden die Schlussanträge der Generalanwältin einer juristischen Detailanalyse unterzogen. Die Generalanwältin hat die Zulässigkeit der „neutralen“ Entnahmen, also Abschüsse einzelner durchziehender Wölfe, die keine negativen Auswirkungen auf die Populationsentwicklung haben, bestätigt. Was den Erhaltungszustand einer Population anlangt, sieht sie hingegen die nationale Ebene als maßgeblich. Damit steht sie im Gegensatz zur Ansicht anderer Mitgliedsstaaten, die sich im Verfahren vor dem EuGH klar für eine länderübergreifende Betrachtung der Population – auch unter Einbeziehung des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz – ausgesprochen haben.

Was die Definition von Schäden anlangt, so können laut Generalanwältin neben den direkten wirtschaftlichen Schäden auch ideelle Schäden in die Bewertung einfließen. Ausgangsverfahren der vom Landesverwaltungsgericht vorgelegten Rechtsfragen ist ein Abschussbescheid aus dem Jahr 2022, der von Umweltorganisationen beeinsprucht wurde. In der Zwischenzeit wurde das Tiroler Jagdgesetz novelliert erlassen.