Mit welcher Osttiroler Gemeinde verbindet man Energieeffizienz und Klimaschutz? Richtig, Virgen. Die Gemeinde im hinteren Iseltal hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten fast jährlich Preise und Auszeichnungen auf diesem Sektor abgesahnt. Auch weil sich Bürgermeister Dietmar Ruggentahler dem Thema verschrieben hat, wie kaum ein anderer Osttiroler Gemeindechef. Seit 1999 unterzog sich Virgen alljährlich dem Audit des Landes, bei dem die Energiepolitik auf dem Prüfstand gestanden ist. Und alle Jahre konnte Virgen den Umsetzungsgrad schrittweise steigern. Schon vor der Einführung des e5-Landesprogrammes hat die Gemeinde gezielte Maßnahmen in diesem Bereich gesetzt.
Seit 2015 liegt Virgen an der österreichischen Spitze und konnte sich sogar im europäischen Ranking unter den besten zehn Orten platzieren. Ausgezeichnet wurden dabei Initiativen und Pilotprojekte: Virger Mobil, Nahwärmeversorgung, Kleinwasserkraftwerke, Solar- und Photovoltaikanlagen, Gebäudesanierungen, Mobilitätsinitiativen, Energiesparmaßnahmen, gemeindeeigene Förderungen und zahlreiche Schulprojekte oder Bürgerbeteiligungsinitiativen.
„Erbsenzählen“ ohne Virgen
Nun der Paukenschlag: Via Aussendung teilte die Gemeinde mit, dass sie aus dem e5-Programm aussteigen wird. Schon Ende November hat der Gemeinderat einen einstimmigen Beschluss gefasst. Was sind die Hintergründe? Der neue Maßnahmenkatalog für das e5-Programm sieht eine Reihe von Änderungen vor, die für Ruggenthaler nicht nachvollziehbar sind. Er sagt: „Wir können das e5-Programm nur sinnvoll umsetzen, wenn es von unserer Bevölkerung mitgetragen wird.“ Virgen würde beim „Erbsenzählen „ nicht mitmachen. Es ist ein Seitenhieb auf die forcierte Erfassung von Daten und Kennzahlen, welche vom Programm künftig forciert wird.
Messbarkeit wohl Auslöser
In Tirol wird die Betreuung der e5-Gemeinden von der Energieagentur Tirol koordiniert. Sie ist eine Hundert-Prozent-Tochter des Landes Tirol. Bruno Oberhuber, Geschäftsführer der Energieagentur Tirol, sagt: „.Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen, vor allem im Energiesektor, ist es natürlich bedauerlich, Virgen nach 25 Jahren im e5-Prozess zu verlieren, aber natürlich zu akzeptieren.“ Er erklärt die Hintergründe des neuen Maßnahmenkataloges: „Mittlerweile wird immer klarer, welche konkreten Anstrengungen es auf Bundes-, Landes- und eben auf Gemeindeebene braucht, um die großen Ziele der Energieautonomie und Klimaneutralität zu erreichen.“ Zu dieser Anpassung gehöre eine noch „genauere Messbarkeit der Maßnahmen.“
Bedauern beim Land Tirol
Die Nachricht, dass Virgen aus dem Programm aussteigt, hat gestern auch das Landhaus in Innsbruck erreicht. „Die Gemeinde Virgen ist ein e5-Mitglied der ersten Stunde und hat in den vergangenen 25 Jahren in vielen Bereichen Pionierarbeit geleistet. Dafür wurde Virgen auch mit der Höchstnote ausgezeichnet. Dass die Gemeinde nun aus dem e5-Programm aussteigen will, ist sehr bedauerlich. Ich bin jedoch überzeugt, Bürgermeister Ruggenthaler und die Gemeinde Virgen werden weiterhin einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Energie- und Klimaziele leisten“, so die Reaktion von Josef Geisler, Landeshauptmann-Stellvertreter und zuständig für Energie-Angelegenheiten. Vonseiten des Landes betont man, dass es bei den neuen Maßnahmen auch darum gehe, den Vorwurf des „Greenwashings“ nicht aufkommen zu lassen. . Aufgenommen wurden dabei etwa Kennzahlen zur Energieeinsparung, Anteil erneuerbarer Energie oder CO2-Reduktion.
Die gute Nachricht zum Schluss: Virgen bleibt Klimabündnisgemeinde und nimmt weiterhin an anderen Initiativen teil, etwa an der Klimamodellregion. Und in Innsbruck hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich die Virger Gemeindepolitik den Schritt noch einmal überlegen. „Die Tür bleibt offen“, sagt Energieagentur-Geschäftsführer Oberhuber. Ruggenthaler sagt zwar, dass Energie und Klimaschutz in seiner Gemeinde weiterhin eine Rolle spielen werde, andere Themen hätten nun aber Vorrang. Etwa „Umwelt und Gesundheit“.