Ein sommerlicher Mai-Tag im Mölltal neigt sich dem Ende zu. Hubert Thaler aus Obervellach macht eine kurze Pause von der Stallarbeit. Er steht auf der Wiese hinter seinem Bauernhof und blickt auf die Schafe, welche durch Schutzzäune zweifach eingezäunt sind. Er hofft, dass der Wolf diese Zaunkonstruktion nicht überwinden kann, wenngleich er weiß, dass er es wohl kann, wenn er will. Und dass er will, hat er im Bereich des Mussnighofes in den vergangenen Monaten öfters gezeigt. Im vergangenen Jahr sind drei seiner Schafe dem Wolf zum Opfer gefallen, im heurigen Frühjahr waren es 13 Schafe auf dem Nachbarfeld. Von den politischen Vertretern und von den Medien fühlt sich der Mölltaler wenig bis kaum gehört.
Seinen Hof hat Thaler bereits an seine Tochter Bianca übergeben. Kühe, Schweine, Schafe, Hühner, Puten: Die Jungbäuerin versucht, die Landwirtschaft so vielfältig wie möglich zu gestalten. In der vergangenen Woche hat sie Puten aus Niederösterreich auf den Hof gebracht. "Weil wir in Kärnten keine Bio-Puten bekommen", sagt Bio-Jungbäuerin Bianca Thaler. Wenn sie über das Geflügel spricht, leuchten ihre Augen. Zu hundert Prozent glücklich ist sie derzeit dennoch nicht. Zu sehr beschäftigt sie die Angst vor Wolfsrissen: "Klar, der Fuchs hat früher auch Hühner gerissen." Die jetzige Situation sei aber eine andere – eine schwierigere. "Ich stehe in der Nacht auf und gehe auf den Hügel hinauf, um die Felder in unserer Ortschaft zu beobachten", sagt der Mussnig-Bauer. Er wolle seine Felder und jene Nachbarn laufend beobachten.
Kopfschmerzen bereitet Bianca Thaler vor allem die bevorstehende Alm-Saison. Die Almflächen erreicht sie nur zu Fuß. Die Tiere kann sie also nicht rund um die Uhr beaufsichtigen. "Und wenn wir hinaufgehen, um nachzuschauen, haben wir immer ein mulmiges Gefühl."
Teurer Zaun
Zumindest für einen kleinen Bereich in der unmittelbaren Nähe des Hofes will Bianca Thaler nun auf Nummer sicher gehen. Sie hat eine Zaunanlage angekauft, welche der Wolf nicht durchdringen kann. Sie soll das bestehende Elektro-Zaun-Konstrukt ablösen. Kostenpunkt: 2000 Euro. Kosten, welche der Landwirt wohl früher oder später dem Endverbraucher weiter verrechnen wird.
Doch wenn der erhöhte wirtschaftliche Aufwand, welcher durch die Herausforderung Wolf entsteht, vom Konsument abgefedert wird – warum ist die Aufregung in der Wolfsdebatte unter den Bauern dennoch so groß? "Wir leben auch von der Liebe zu unseren Tieren", sagt Hubert Thaler. Man sorge sich über Monate und Jahre hinweg um diese und kenne sie beim Namen. Der Schmerz, wenn sie qualvoll verenden, sei groß. Aus diesem Grund würden viele Landwirte in seinem Bekanntenkreis ans Aufhören denken. Seine Tochter auch? "Schwierig wird's", sagt sie. Aber ihre Liebe und Begeisterung für die Tiere gibt ihr Hoffnung – Tag für Tag.
Michael Egger