Ich schnapp mein Häuschen und ziehe weiter – so einfach. Der Tiny-House-Trend hat viel mit Lebensphilosophie zu tun. Denn man muss sich schon überlegen, was man in so ein kleines Heim packt. Die Konsumgesellschaft mit viel Krimskrams hat hier keinen Platz. "Ich bin ein bisschen nomadenhaft", lacht Wieland Kraus, der hoch über dem Weißensee lebt. Der Bayer hat einst ganz klassische Häuser gebaut. "Als ich mit 15 meine Maurerlehre gemacht habe, habe ich das von der Pike auf gelernt", sagt der heute 31-Jährige. Aber er hat auch etwas beobachtet: "Es waren auch viel Verbindlichkeiten. 300.000 bis 400.000 Euro, das kann sich auch mit Kredit kaum jemand leisten. Das Abbezahlen hat die Bauherren in ein Hamsterrad gezwungen. All die Materialien wie Stahlbeton und Styroporsind alles andere als nachhaltig. Aber vor allem: Nach dem ganzen Bau haben die Bauherren oft gar nicht mehr so glücklich dreingeschaut."
Kraus wollte mehr, mehr vom Leben und mehr Freiheit und "raus aus diesem Hamsterrad". "Also habe ich irgendwann alles verkauft, meine Wohnung aufgegeben und auf eine Weltreise aufgebrochen", erzählt er. Da habe er mehrere Lebensstile kennengelernt. "Vor allem in Australien und Neuseeland habe ich mobile Heimkonzepte entdeckt und auch Holzhäuser gebaut", sagt er.
Mit diesen Ideen im Kopf kam er vor einigen Jahren in das Obere Drautal. In einem Dreijahresprojekt entwickelte und baute er den Prototypen. "Es war einiges zu bedenken, das Gewicht vor allem – da es in anderen Ländern keine Gewichtsbeschränkungen gibt", so Kraus weiter. Steht der Plan, mit allen platzsparenden Tüfteleien und Tricks ist das Tiny Naturhaus in vier bis sechs Monaten gebaut. "Ich verwende nur Naturmaterialien, Holz und Schafwolle als Dämmung. Das ergibt eine Diffusionsoffenheit, die ein gutes Raumklima schafft." Das erste große Tiny Naturhaus mit hochwertiger Ausstattung wie Fußbodenheizung ist erst kürzlich für 100.000 Euro nach Sylt verkauft worden.
"Ich habe schon einige weitere Aufträge. Doch derzeit stelle ich meine Firma neu und professioneller auf, arbeite mit Tischlern, Installateuren und anderen Fachleuten zusammen", erklärt er. Eine neue Produktionsstätte im Drautal soll gefunden werden. Dann sollen die beiden Varianten – klein, mobil und mit Pkw ziehbar für zwei Personen, sowie eine Familienvariante mit 8,5 Metern mit Kinderzimmer auf einem größeren Anhänger – gefertigt werden. Die Häuser sind auf die Straßenbreite von 2,5 Metern beschränkt. "Ein Tiny Naturhaus wird nicht ständig umgestellt, aber es ist möglich. So kann man für das Haus auch mit dem Traktor woanders hinbringen", erklärt er. Unter 25 Quadratmeter Nutzfläche haben die Häuser, damit sind sie mit nur einer Meldung bei der zuständigen Behörde aufstellbar. Zumindest in Kärnten. Mit bis zu 3,3 Metern Raumhöhe sollen sie aber auch großen Menschen Platz bieten. "Ich bin selbst 1,83 Meter groß. Ich fühl mich wohl darin", sagt der zweifache Vater. Die großen Fensterflächen sollen einen guten Verbindungspunkt zur Natur schaffen.
Neue Art des Wohnens
Seine Freiheit und Träume lebt er jetzt in Oberkärnten aus. "Ich habe es geschafft, mich nicht von der Bank versklaven zu lassen", beschreibt er es radikal. Das bringt auch Einschnitte: "Ja, ich besitze wenige Dinge, aber dafür hochwertige. Ich hatte auch viel Geld, Audi und eine tolle Wohnung – aber das minimalistische Leben, das im Einklang der Natur ist, macht mich glücklicher." Er könnte sich vorstellen, dass sich mit dem Tiny Haus vielleicht auch neue Lebensstrukturen bilden. "Man stelle sich vor, man geht eine Beziehung ein und rollt seine Tiny Häuser zusammen. Jeder hat seinen Rückzugsort und man ist doch gemeinsam. Die Kinder bekommen ein Eigenes – zumindest bei meinen Modellen habe ich eine Modulbauweise mit Verbindungsgängen berücksichtigt. Und wenn sie ausziehen, nehmen sie ihr Haus mit", träumt Kraus.