Sie gelten als Vorreiter der Slow Food-Bewegung und sind Sprecher der Cook’ Alliance, einem Zusammenschluss von 15 Köchinnen und Köchen, die Botschafter einer nachhaltigen und kreativen Gastronomie sind. Warum liegt Ihnen Nachhaltigkeit so sehr am Herzen?
HANNES MÜLLER: Alle reden vom Klimaschutz. Der Schutz des Klimas kann nur funktionieren, wenn wir vieles reduzieren. Das beginnt bei fair produzierten Lebensmitteln. Ich verkaufe die Heimat am Teller, da passen keine Zitrusfrüchte dazu. Ich achte darauf, bei wem ich was einkaufe und wer davon profitiert. Der Produzent soll mit einem fairen Preis, den er verlangen kann, seinen Betrieb weiterentwickeln können. Ursprünglich nannten wir unsere Philosophie "Generation Gewissen", jetzt ist das die inzwischen sehr begehrte Marke "Slow Food". Ich bin überzeugt, würden wir uns in all unseren Lebenslagen mehr mit dem Weglassen beschäftigen, dann hätten wir eine echte Chance, die derzeit rasante Beschleunigung des Klimawandels wieder merklich zu verlangsamen.
Wie haben Sie als Gastgeber und als Privatperson die Zeit des Lockdowns erlebt?
Wirtschaftlich ist diese Zeit natürlich ein eigenes Thema. Als Familie haben wir die Zeit sehr genossen. Die Kinder waren alle zu Hause, wir haben gesehen, dass wir uns super verstehen. Für uns waren es die ersten Weihnachten, der erste Jahreswechsel ohne Gäste. Ich sage Danke, dass wir diese Zeit haben durften. Und: Ich war in diesem Traumwinter so oft Skilanglaufen wie noch nie zuvor.
Sie sind einem breiten Publikum als Fernsehkoch bekannt. Wie wurden Sie entdeckt?
Ich war schon vor Jahren immer wieder Gastkoch im Vorabendprogramm des ORF. Als dann die Reihe "Schmeckt perfekt" im April 2018 startete, war ich Teil dieser Kochshow. Inzwischen wurde sie eingestellt und durch "Silvia kocht" ersetzt. Ich bin auch in dieser Kochsendung hin und wieder dabei, wir drehen nächste Woche eine neue Folge im Studio in Linz.
Als TV-Koch sind Sie auch mit Kritik der Zuseher konfrontiert. Wie geht man damit um?
Kritik muss man annehmen können. Ich denke schon, dass ich durch die TV-Auftritte gereift bin. Man kann aus jeder Kritik etwas mitnehmen. Wir haben im Hotel Kritiklisten an Gäste ausgeteilt, das war durchaus hilfreich. Auch wenn du 70 Prozent streichen kannst, die 30 Prozent bringen dich weiter.
Viele Tourismusbetriebe leiden heuer besonders unter Mitarbeitermangel. Wie ergeht es Ihnen?
Der ganze Lockdown war kontraproduktiv. Vieles ist falsch gelaufen. Beispielsweise wurden beim Arbeitsmarktservice, Tourismus-Mitarbeiter proaktiv umgeschult, aber nicht in der Branche. Diese Leute fehlen uns jetzt. In der Küche geht es noch, aber im Service ist das Problem ganz massiv. Ich brauche Mitarbeiter, die meine Philosophie teilen, die einen Anspruch an sich selbst haben. Nur mit solchen Mitarbeitern kann sich ein Betrieb weiterentwickeln. Was nützen mir 20 Kellner, die keinen Anspruch an sich haben? Zurzeit haben wir in unserem Betrieb grandiose Mitarbeiter, meine Sorge ist, dass das nicht so bleiben wird.
Andrea Steiner