Körperliches Leiden, wie ein Bandscheibenvorfall oder Kreuzbandriss, werden in der Gesellschaft offen kommuniziert. Psychische Krankheiten werden jedoch oft als Tabuthema angesehen und Erkrankte damit allein gelassen. Mit der Erlebnisausstellung „Psyche erleben“ von pro mente Steiermark sollen genau solche bestehenden Stigmata bekämpft und Informationen über psychische Erkrankungen bereitgestellt werden. Noch bis Donnerstag, den 17. Oktober, ist die Ausstellung erstmals in Kärnten im Stadtsaal Spittal in der Lutherstraße 4 angesiedelt. Täglich von 11 bis 20 Uhr kann die Ausstellung kostenlos besucht werden. Thematisiert werden Depression, Alkohol und Schizophrenie.
„Besucherinnen und Besucher können dabei hautnah erleben, spüren und hören, wie sich diese subjektiv wahrnehmbaren Krankheitsbilder anfühlen könnten“, sagt Corina Ponta, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Tageszentrums Spittal, die Teil des Organisationsteams vor Ort ist. Ab 16 Jahren kann in Begleitung durch geschultes Fachpersonal erlebt werden, wie sich eine Depression für Menschen anfühlen kann, wie Menschen, die an Schizophrenie erkrankt sind, ihren alltäglichen Einkauf erleben und wie sich eine Alkoholisierung nüchtern anfühlt. „Sobald es jemandem zu viel wird, kann jederzeit bei jeder Station abgebrochen werden“, so Ponta weiter.
Hürden beim alltäglichen Einkauf
„Merkst du denn nicht, wie dich alle anstarren?“, ist aus dem Kopfhörer zu hören. „Dreh dich doch um.“ Pausenlos dringen Stimmen ans Ohr – einmal flüsternd, einmal bedrohlich. Widersprüche sind dabei keine Seltenheit. So hört man einerseits: „Das willst du kaufen?“, und die andere Stimme sagt wiederum:. „Kauf das!“ Daraufhin folgen Vorwürfe mit spöttischem Lachen: „Wie du heute wieder aussiehst.“ Beim Schizophrenie-Regal soll gezeigt werden, wie Menschen mit dieser Krankheit den alltäglichen Einkauf erleben. Die Aufgabe: Eine Einkaufsliste abarbeiten und dabei den Stimmen lauschen.
Was einfach klingt, stellte sich allerdings als schwierig heraus. Denn die Stimmen wirken mit der Zeit, als würden sie es besser wissen. Haben sie recht? Das kommt einem dabei in den Sinn, wenn man die Produkte in den Einkaufswagen legt und versucht, dem Impuls zu widerstehen, den Aufforderungen der Stimmen zu folgen. Für Menschen, die an Schizophrenie leiden, ist diese Ausnahmesituation Alltag: Sie nehmen die Welt um sich herum verzerrt wahr, haben Halluzinationen und hören Stimmen, die gar nicht existieren. „Wir wollen Menschen vor Augen führen, wie es Betroffenen von psychischen Erkrankungen, wie der Schizophrenie, geht“, erklärt Michaela Obrist, Fachbereichsleiterin Cluster Sozialpsychiatrie von pro mente.
Das Leben als dunkler Tunnel
Wie sich eine Depression anfühlt, kann im Depressionstunnel erfahren werden. Dort trägt man eine zwölf Kilogramm schwere Weste auf den Schultern, mit zusätzlichen Gewichten an Händen und Füßen und mit Kopfhörer, durch welche schwere und niedergeschlagene Gedanken ertönen. In dem komplett abgedunkelten Raum kann man dann umherspazieren. Das Fazit: Bereits nach kurzer Zeit wird die Last schwerer und schwerer, man fühlt nur noch Antriebslosigkeit und will sich am liebsten vor Ort und Stelle hinlegen oder hinsetzen.
„Wir wollen damit die psychischen Erkrankungen entstigmatisieren, also mehr Verständnis schaffen für Menschen, die an psychischen Krankheiten leiden. Es gibt viele Vorurteile und viel Unverständnis, auch weil die Krankheiten nicht sichtbar sind. Das sollte so aber nicht mehr sein“, sagt Georg Spiel, Obmann und Geschäftsführer von pro mente Kärnten. Dass der Satz „Jetzt reiß dich einmal zusammen“, den Depressive oft zu hören bekommen, nicht hilfreich ist, wenn sich das Leben wie ein dunkler Tunnel anfühlt, jeder Schritt belastend und anstrengender wird sowie das innere Zweifeln und Nachdenken nicht schweigen will, bekommt man im Tunnel vor Augen geführt.
Simulierte Rauschzustände
Laut Statistik Austria waren es 2775 Alkoholunfälle im Straßenverkehr mit Personenschaden im Jahr 2022, das entspreche acht Prozent aller Straßenverkehrsunfälle. Dabei wurden 3519 Personen verletzt und weitere 26 getötet, das sind sieben Prozent der insgesamt 370 Getöteten. Bei der dritten Station soll mittels speziellen Brillen mit unterschiedlichen Rauschzuständen – 0,8, 1,3 und 1,5 Promille – simuliert werden, wie sich eine Alkoholisierung nüchtern anfühlt.
Mit den Brillen geht man einen einfachen Parcours durch, bereits bei geringem Promillegehalt stellt sich das Passieren als schwierig heraus. „Man muss sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass Menschen sich trotzdem noch hinter das Steuer setzen. Wir wollen damit zeigen, wie gefährlich das wirklich ist“, erklärt Ponta. Schon einfaches Händeschütteln oder das Angreifen von Gegenständen kommt einem mit der Brille als eine Herausforderung vor.
Welttag der psychischen Gesundheit
Anlässlich des Welttages der psychischen Gesundheit (10. Oktober) setzt die pro mente Gruppe Kärnten mit der Initiative „mental health #redenwirdarüber“ ein starkes Zeichen. Im Zeitraum vom 10. bis 30. Oktober finden zahlreiche Aktivitäten, angefangen mit dem „Mental Health Run“ sowie der Erlebnisausstellung „Psyche erleben“, eine Telefonstunde und eine Abschlussveranstaltung am unter dem Thema „Aus dem Nebel in das Leben“ statt. Im Casineum Velden sprechen am 30. Oktober um 19 Uhr Persönlichkeiten, wie die Moderatorin Martina Klementin, die Szene-Gastronomin Janin Baumann oder ehemaliger KAC-Crack Christoph Duller über die psychische Gesundheit. Ein Sitzplatz kann kostenlos per E-Mail an gruppekärnten@pro-mente.at reserviert werden.