„Was für San Daniele der Schinken, könnte fürs Gailtal der Speck sein“, sagte sich 1992 der inzwischen verstorbene Hermagorer Fleischermeister Siegfried Lasser. Er initiierte das Gailtaler Speckfest. „Es war sicherlich das Urfest der kulinarischen Events in Kärnten“, ist Michaela Burgstaller, für die Qualitäts- und Herkunftssicherung im Verein Genussland Kärnten zuständig, überzeugt. Lasser war viel als Vieheinkäufer unterwegs und kannte die Speckbauern der Gegend. Gerade er wusste um die Einzigartigkeit des Gailtaler Specks und um seine spezielle Tradition.
Den Speck über das Gailtal hinaus bekannt zu machen, den Feinschmeckern diese außergewöhnliche Spezialität zu präsentieren und damit den Fleischhauern und Speckbauern eine lukrative Einnahmequelle zu eröffnen, war Lassers Ziel. Ende 1992 und Anfang 1993 wurde die Organisation für das 1. Gailtaler Speckfest gebildet und das erste Juni-Wochenende als Termin bestimmt. Stadtgemeinde, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer sowie der städtische Handel und die Gastronomie waren mit im Boot.
Die Werbekampagne in Klagenfurt war einzigartig und heute unvorstellbar: Ein gutmütiges, 120 Kilogramm schweres, Schwein aus dem Stall des Liplbauern in Egg war das Werbemodel und wurde zum Gaudium der vielen Passanten am Neuen Platz in Klagenfurt spazieren geführt. Am Ende gab es ein Problem: Das Borstenvieh fühlte sich in der Rolle des städtischen, viel gestreicheltem Mannequins sichtlich wohl, nun wollte es nach der Vorstellung aber nicht mehr in den Anhänger und in den tristen heimischen Stall zurück. Nach viel Überredungskunst gelang es am Ende doch. Die Werbung schlug ein, die Kleine Zeitung war Werbepartner und Karikaturlegende Petar Pismestrović schenkte den Hermagorern das lustige Schweinchengesicht, das bis heute alle Plakate und Aussendungen ziert.
An die 6000 Besucher strömten vom 4. bis 6. Juni 1993 schließlich zum 1. Speckfest nach Hermagor. Dort war man angesichts der Besucherzahl baff, mit so einem Ansturm hat man nicht gerechnet. „Es war das größte Fest, dass Hermagor je gesehen hat“, wusste ein Hermagorer Gastwirt dem Kleine-Zeitung-Reporter zu berichten. Zuvor unvorstellbare 2000 Kilogramm Speck wurden an beiden Tagen verkauft. Es war der Beginn einer einzigartigen Erfolgsgeschichte, die Hermagor weit über die Landesgrenzen hinaus als Speckhauptstadt Österreichs bekannt gemacht hat.
Die Besucherzahlen stiegen und stiegen, die Veranstalter sprachen gleich mehrmals von bis zu 30.000 Besuchern. Dass auch Petrus eine Schwäche für den Gailtaler Speck hat, ist ebenso unbestritten und sogar beweisbar. „Kein einziges Speckfest musste wegen Schlechtwetters abgesagt werden“, weiß Albert Jank, der 2001 Siegfried Lasser als Speck- und Festobmann abgelöst hat. Heuer organisiert er das Speckevent zum letzten Mal, sein Nachfolger Fleischermeister Hannes Smole wird ab 2025 die Speckfeste ausrichten.
Doch woher hat der Gailtaler Speck, seit 2002 mit geschützter EU-Ursprungsbezeichnung ausgestattet, diesen exzellenten Ruf? Er ist wahrlich ein Gaumen-Schmeichler, mildsalzig im Geschmack, sein weißes Fett zergeht auf der Zunge und hinterlässt feine Geschmacks-Noten von Wachholder, Pfeffer, Knoblauch und Salz. Das besondere Aroma und die lange Haltbarkeit erhält er vom langsamen Reifungsprozess. Die Verwendung ganzer Speckseiten, das Einbeizen unter Verwendung überlieferter spezieller Rezepturen, das Selchen mit den Selchpausen, in denen der Speck mit Frischluft in Berührung kommt, sind wesentliche Qualitätsfaktoren. Für die klimatisch begünstigten Reifebedingungen sorgt auch der „walische“ Wind, der aus Richtung Süden durch die Gailtaler Reifekammern streicht.
Übrigens: Nicht jedes Schwein eignet sich als Specklieferant, es darf nur das Fleisch von Schweinen, die aus dem definierten Gebiet stammen, verwendet werden. Zur Produktion zugelassen sind Rassen, die erfahrungsgemäß gemeinsam mit der langsameren Mast und den zulässigen Futtermitteln den angestrebten, vergleichsweise höheren Fettanteil gewährleisten. Speck hat im Bezirk Hermagor eine lange Tradition. Aufzeichnungen und Berichte gehen in das 9. Jahrhundert zurück. Paolo Santonino hat ihn 1485 geadelt. In seinem Tagebuch schreibt er zum Festessen im Pfarrhof Tröpolach: „Viertens hatten wir Kraut mit einem Stück Speck, von dem unser Bischof Pietro für uns alle aß.“
Am ersten Juniwochenende ist es wieder soweit. Heuer steht mit dem 30. Speckfest ein stolzes Jubiläum ins Haus. „Pandemiebedingt fielen uns Feste aus“, bedauert Jank. Für das nächste Spe(c)ktakel ist alles gerüstet. Der Countdown für den Anschnitt, den der Liplbauer noch einmal zelebrieren wird, läuft. Erst wenn die offizielle Speckseite publikumswirksam „angschnitt´n“ ist, darf es losgehen. So lange müssen sich die vielen Speckliebhaber halt noch gedulden.