Kurze Hose und T-Shirt reichen in der Backstube der Bäckerei Jury in Gmünd auch im Jänner als Arbeitskleidung aus. Angenehme Wärme und der Duft von frischem Brot und Gebäck strömen einem beim Betreten der Räume entgegen. Bestens gelaunt bereiten hier das Brüderpaar Gottfried und Helmuth Egger sowie Michael Pufitsch Plundergebäck, Reindlinge und Linzerschnitten zu. Die Musik aus dem Radio motiviert sie, schließlich haben sie schon um 2 Uhr in der Früh mit dem Brot- und Semmelbacken begonnen. Bäckerei-Chef Florian Jury kommt gerade von seiner ersten Auslieferungstour, darunter auch das Altenpflegeheim in Gmünd, zurück und holt Nachschub für die Tour nach Malta, die um 6.45 Uhr beginnt.
Auch für ihn hat der Tag um 4.30 Uhr begonnen. „Von Montag bis Samstag beliefern wir Haushalte, Geschäfte, Beherbergungsbetriebe und Mitarbeiter regionaler Firmen. Rund 40 Prozent unseres Umsatzes machen wir über das Fahrgeschäft“, sagt Jury, der die Bäckerei vor einem Jahr von seiner Mutter übernommen hat. Es ist noch dunkel, aber der Verkehr in Richtung Malta ist voll im Gange, die Leute fahren zur Arbeit. Jury lenkt seinen Kleintransporter, der mit einem E-Motor ausgestattet ist, ruhig durch die Siedlungen und fixiert in erster Linie die Haustüren. Wo ein Stoffsackerl hängt, bleibt er stehen. „Ein halbes Kilo Brot und zwei Semmeln“, steht auf einem darin liegenden Zettel, eine kleine Geldtasche liegt dabei. Flott befüllt er das Sackerl, gibt Wechselgeld heraus und hängt alles zurück auf die Türe.
So klappert er weitere Siedlungen ab, auf der Runde liegen zwei kleine Lebensmittelgeschäfte in Fischertratten und Malta. Bei dem auf der Gamskogelhütte arbeitenden Haubenkoch Stefan Lastin, der ebenfalls in der Nähe wohnt, überreicht Jury eine Kiste mit frischen Baguettes. Die Familie hat auch privat Bedarf an Gebäck. „Wir schätzen diesen Service von Florian Jury sehr, speziell an Samstagen, wenn wir zum Frühstück alles frisch geliefert bekommen“, sagt Lastin.
„Samstag ist ein wichtiger Tag, da fängt alles noch früher an, weil die Familien zu Hause sind und Gebäck für das Wochenende benötigen“, schildert der 36-Jährige, der in Wels die HTL für Lebensmitteltechnologie abgeschlossen und im Anschluss die Bäckermeisterprüfung absolviert hat. In Oberkärnten kennt er kaum Kollegen, die auch Haushalte nach wie vor beliefern. Das habe sich aufgehört.
„10.000 bis 12.000 Semmeln täglich“
„Unsere Bäckerei wurde 1870 gegründet, mein Großvater hat in den 1950er Jahren noch mit dem Pferdefuhrwerk Brot zugestellt. Mit dem zunehmenden Tourismus befand sich auch das Bäckereigewerbe in einer Hochphase. Hotels, Pensionen und Geschäfte benötigten reichlich Brot und Gebäck. Erst als Ende der 1980er und Anfang der 1990er-Jahre im Einzelhandel Backecken und Backshops eröffnet wurden, ging die Produktion rapide zurück“, sagt der Vater von Georg (2,5 Jahre) und Flora (ein Monat). Dazu hat er Zahlen: „Davor haben wir pro Tag zwischen 10.000 und 12.000 Semmeln produziert, jetzt sind es zwischen 700 und 800.“
Weiter geht die Tour, allmählich wird es hell, jetzt darf in den Siedlungen schon gehupt werden. Italienische Semmeln, Kipferln, Krapfen, Kuchen, Zuckerreinkerln, acht Sorten Brot, aber auch Semmelbrösel, Knödelbrot, Kaffee und Milch befinden sich im E-Auto, das vom Strom der eigenen Photovoltaik-Anlage gespeist wird. Die Kunden kommen aus ihren Häusern und Wohnungen, kaufen ein und tauschen sich mit Jury über aktuelle Themen aus dem Ort aus. Die Mitarbeiter der Firmen Maltaholz, Pichhorner Metalltechnik, KFZ Moser und Metalltechnik Lang danken Jury für Pizzastangerln, Süßgebäck und kalten Cappuccino mit einem zufriedenen Lächeln.
Für die Haus- und Hofhunde hat er immer ein Semmelstücken parat: „So kommen wir gut miteinander aus.“ Seine Zustelltouren, führen ihn bis Eisentratten, Kremsbrücke, Trebesing und Seeboden. Im Jahr legt er rund 20.000 Kilometer zurück. „Es ist unser Weg, der Konkurrenz aus dem Supermarkt standzuhalten“, sagt Jury, denn die Kunden schätzen „Regionalität, Qualität und eben diesen Zustellservice“. Den Schritt, nach beruflichen Stationen bei einem Backmittelhersteller in Oberösterreich und bei der Gewürzfabrik Hella in Gmünd, wieder in die Bäckerei zurückzukehren, bereut er nicht, ein Grund war auch seine Lebensgefährtin Carmen Verhovnik.
Im Betrieb steht ein Großprojekt an. Die beiden, derzeit mit Öl betriebenen Backöfen, werden im Februar erneuert. Diese werden dann mit Pellets betrieben. Rund 210.000 Euro wird Jury investieren. „Klimaschonendes Arbeiten sowie Planungssicherheit bei den Energiekosten und der Produktion“, nennt er als Gründe für diesen Schritt. Um 9.15 Uhr hat Jury die Tour beendet, seine Mitarbeiterin wird die Nachmittagsrunde übernehmen. In der Bäckerei haben sich inzwischen viele Gäste zum Kaffeeplausch eingefunden, verwöhnt werden sie von Jurys Mutter Christa und Mitarbeiterin Elisabeth Karner.
Für den jungen „Bäck“ steht an dem Tag noch ein Seminar in Linz an. Energieeffizientes Kühlen und Prozessoptimierung sind die Themen. Dort trifft er auch Martin Vallant, Innungsmeister der rund 90 Bäcker in Kärnten. Die Frage, wie es um die Bäcker in Kärnten steht, beantwortet dieser so: „Auch wenn es schwieriger wird, und immer mehr Bäcker aufhören, muss man sich individuelle Wege suchen. Die Betriebe werden kleiner und besinnen sich stärker auf das Handwerk, sie werden zu Manufakturen, die regionale Spezialitäten und persönlichen Service groß schreiben.“
Junge Menschen für den Beruf zu begeistern, wird ebenfalls schwierige, dennoch ortet Vallant Aufbruchstimmung: „Moderne Technik entlastet Bäcker in diesem körperlich herausfordernden Job und gleichzeitig gibt es bei Kunden ein stärkeres Bewusstsein für regional erzeugte Backwaren, die nicht, wie in Supermärkten üblich, durch ganz Österreich transportiert werden.“ Er hebt auch die Qualität und längere Haltbarkeit von Bäckerbrot hervor und dass jene Bäckereien, die meistens ein Café angeschlossen haben, einen wichtigen sozialen Beitrag leisten.
Jury, der mit Optimismus in die Zukunft geht, hat das Glück, immer wieder einen Lehrling zu finden und ein motiviertes Team hinter sich zu haben: „Es wird nicht einfacher werden, aber es wird immer Chancen und Gelegenheiten geben, dien man nutzen kann. Ein gutes Brot wird immer Abnehmer finden.“