Nach knapp fünf Jahrzehnten übergibt Gerhard Lexer den Dirigentenstab der Trachtenkapelle Liesing in jüngere Hände. Mit Kathrin Goller übernimmt erstmals eine Frau das Kapellmeisteramt in der 195-jährigen Geschichte der Musikkapelle. Goller stammt aus Deutschland und hat in ihrer Heimat schon über 20 Jahre verschiedene Kapellen geleitet. Sie ist der Liebe wegen ins Tal gezogen, spielt seit September in der örtlichen Kapelle das Tenorhorn und ist begeistert von ihren Musikkameraden.
„Ich bin erstaunt über den hohen Stellenwert der Musikkapelle im Ort und im Tal. Die Qualität der Kapelle ist hervorragend, es sind sehr viele gut ausgebildete Musiker hier vertreten“, schwärmt Goller, die derzeit fleißig für das Konzert „Eine lange Winternacht“ probt. Das hohe Niveau der Liesinger Blasmusiker ist der hervorragenden Arbeit von Kapellmeister Gerard Lexer zu verdanken. Viele Auszeichnungen bei musikalischen Bewerben sind Beweis für seinen unermüdlichen Einsatz.
Eine musikalische Familientradition
Als Zehnjähriger trat Lexer 1959 als Schlagzeuger in die Trachtenkapelle ein. Von 1972 bis 1974 absolvierte er unter der Leitung des damaligen Militärkapellmeisters Anton Sollfeldner die Kapellmeisterausbildung. Inspiriert und motiviert hat ihn seine musikalische Verwandtschaft. Seit 1895 wurde der Kapellmeisterstab in der Familie Lexer von Großvater Stefan, weiter zu Sohn Johann und dessen Sohn Gerhard gereicht. Vater Johann war nicht nur Musiker, von ihm stammen auch über 100 Kompositionen und er liebte das Geigenbauen.
„Mein Leben ist mit Leib und Seele der Musik gewidmet“, erzählt Lexer, „und während der ganzen Zeit habe ich keinen Auftritt und keine Probe, außer bei Krankheit, ausgelassen“. In dieser langen Zeit gab es viele Highlights. Gleich im ersten Kapellmeisterjahr wurde Lexer mit seinen Musikern zum Pensionistentreffen nach Wien eingeladen. „Es war sehr erhebend im Praterstadion vor tausenden Menschen zu spielen. Nicht weniger faszinierend war die Übergabe des Kärntner Christbaumes am Petersplatz in Rom mit anschließender Papstaudienz, bei der Lexer die „Vereinigte Lesachtaler Musikkapelle“ anführte.
Positives Resümee nach Jahrzehnten im Amt
Gerhard Lexer hat sein Kapellmeisteramt immer als Ehrenamt gesehen und verzichtete auf jegliche Gage. „Man geht mit einer gewissen Wehmut und Erleichterung aus dem Amt, weil es bei jeder Tätigkeit nicht nur erbauende Momente gibt, sondern manchmal auch Frustration“, erzählt er. Rückblickend gesehen „überwiegt die Freude an der Musik und dass die Musiker bereit waren, immer das Beste zu geben und stets hinter mir gestanden sind“. Der jährliche Höhepunkt ist das Konzert „Eine lange Winternacht“, welches Gerhard Lexer vor knapp 30 Jahren ins Leben gerufen hat. Seitdem wurde das Publikum immer wieder mit anspruchsvollen Stücken begeistert. Heuer sind es drei Kapellmeister, die am Dirigentenpult stehen werden. Gerhard Lexer, die neue Kapellmeisterin Kathrin Goller und ihr Stellvertreter David Lanner. „Eine lange Winternacht“ wird am 28. Dezember 2023 um 20 Uhr im Kultursaal Liesing präsentiert.
Hans Guggenberger