Ursprünglich hätten es nur zwei Jahre sein sollen. Jetzt lebt und arbeitet der gebürtige Reichenfelser Walter Haag bereits seit 16 Jahren in England, das für ihn längst zur zweiten Heimat geworden ist. "Ich wollte schon immer ins Ausland", sagt der 45-Jährige, bei dem der britische Humor bereits angekommen ist. Nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung ist seine Frau Rhiannon (42), einer Logopädin und die er einst an der Wolfsberger Abendschule kennengelernt hat. Die gemeinsame Tochter Élodie ist neun Jahre alt. Sie bewohnen in Colchester, einer Stadt des Countys Essex nordöstlich von London, ein Haus, das sie 2013 gekauft haben.
Brexit führte zu kurzfristigen Problemen
320 Kilometer entfernt in Grimsby, einer Hafenstadt an der Nordsee, befindet sich das Hauptquartier seines Arbeitgebers "CWind". Dort ist der Lavanttaler Verkaufsleiter und verantwortlich für elf Besatzungstransferschiffe (Crew Transfer Vessel), die eingesetzt werden, um Service-Techniker zu Offshore-Windparks zu bringen. Die Entfernung sei kein Problem. "Der Großteil der Arbeit kann entweder von zu Hause oder in einer unserer Niederlassungen erledigt werden", erzählt Haag.
Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs habe keinen großen Einfluss auf das Leben des Auslandslavanttalers gehabt. "Der Brexit hat zu kurzfristigen Problemen in der Logistik und Finanzwelt sowie auch für zusätzliche Verwaltungsaufwände für Zölle und Arbeitsvisas geführt. Dies, die Pandemie und der Krieg in der Ukraine hat die Inflation nach oben getrieben", führt Haag aus.
Ehrenamtlicher Geschäftsführer im Kaffeehaus
In seiner Freizeit widmet sich Haag seiner karitativen Tätigkeit als ehrenamtlicher Geschäftsführer eines privaten Kaffeehauses, das von der lokalen anglikanischen Kirche unterstützt wird, Arbeit und Ausbildung für Freiwillige bietet und für die Gemeinschaft seines Stadtteils gegründet wurde. Außerdem ist er zusammen mit seiner Familie begeisterter Zelt-Camper, um die Grafschaften und Orte, wie Cornwall East Sussex und Norfolk, zu besuchen.
"Ein besonderer Anziehungspunkt für mich ist die Isle of Wight an der Südküste Englands, bekannt für ihre ruhigen, ursprünglichen Dörfer mit urig englischen reetgedeckten Cottages", schwärmt Haag. An seiner neuen Heimat schätzt er neben dem britischen Humor die multikulturelle Gesellschaft. "Unsere Freunde kommen aus allen Ecken des Globus", sagt Haag. Sein Lieblingsessen in Großbritannien: Huhn mit Lauch-Pie mit Erbsen und Pommes. Außerdem schätzt er die Nähe zur Hauptstadt London und das dortige große Musical-Angebot, das regelmäßig in Anspruch genommen wird. Oft besucht werden auch Rugbyspiele. "Da kann es schon schwierig werden, da meine Tochter, die selbst Rugby spielt, für England hält, meine Frau als Halb-Waliserin aber für ihr Heimatland die Daumen drückt", schmunzelt Haag, der in England das selbstgebackene Schwarzbrot und den selbstgemachten Nussschnaps seiner Mutter Inge sowie die Wanderungen auf den Zirbitzkogel mit seinem Vater Walter vermisst. "Die höchste Erhebung in Essex ist nur 74 Meter hoch", schmunzelt der Lavanttaler. Dennoch: An eine Rückkehr in seine Heimat denke er nicht.
Herbert Hollauf