Mit Ende Februar legt Harald Pressl seinen weißen Arztkittel, den er eigentlich erst seit ein paar Jahren trägt, zum letzten Mal ab. "Ich gehe nach über drei Jahrzehnten in Pension", gibt der 69-Jährige bekannt. Mit ihm hört auch sein Arztkollege Wolfgang Pfeiffer (65) aus Wolfsberg, ebenfalls Facharzt für Innere Medizin, auf. "Nachfolger gibt es bereits, die aber mehr die internistische Palette abdecken werden. Ein bisschen wird sich daher ändern", sagt Pressl. Im März sei die Ordination wegen des Umbaus geschlossen. Im Anschluss daran werden die Kassenstellen von den Ärzten Werner Liegl und Andrea Onitsch übernommen, die "zum Kennenlernen" schon einmal wöchentlich in der Praxis ordinieren.

Im Oktober 1988 eröffnete Pressl am Offnerplatzl in Wolfsberg seine Kassenpraxis und zog damals auch oberhalb dieser ein. "Anfangs hatte ich unter meinen Patienten viele Kinder", sagt Pressl. Der pensionierte Kinderarzt Peter Sartori stand ihm damals zur Seite. "Er war eine unglaubliche Hilfestellung", erinnert sich Pressl, der als Facharzt für Innere Medizin auch internistische Untersuchungen abdeckte. Mit dem Zusammenschluss 1995 mit Pfeiffer wurde das Angebot noch auf die Endoskopie ausgeweitet. "Das war eine diagnostische Bereicherung", gibt Pressl offen zu.

Kein Bäcker, lieber Arzt

Aufgewachsen ist Pressl in einer Bäckerfamilie in Radenthein. Die Bäckerei zu übernehmen, das kam für ihn nicht infrage. "Ich hab' beim Semmel ausführen geholfen, in der Backstube war ich nicht. Das frühe Aufstehen hat mir nicht gefallen." Durch seinen Volksschullehrer kam es dazu, dass Pressl im St. Pauler Konvikt das Gymnasium besuchte. Nach der Matura verschlug es ihn ein Jahr lang nach Deutschland. Dort wollte er Architektur studieren. "Im ersten Jahr hat sich aber herauskristallisiert, dass ich Medizin studieren möchte."

Von Augsburg ging es nach Graz zum Medizinstudium. Durch einen befreundeten Arzt ließ er sich 1981 im Lavanttal nieder und arbeitete als Assistent in der Inneren Abteilung im Wolfsberger Landeskrankenhaus. Der "gute Kontakt" blieb: "Bei dringenden Fällen, die wir nicht zeitnah abwickeln konnten, unterstützte uns das Krankenhaus", sagt Pressl. Sein gutes Netzwerk mit Spezialisten war für ihn von großem Vorteil: "Ich hatte überall Ansprechpartner, die ich im Zuge meiner Fortbildungen kennengelernt habe."

Bei Vorsorgemaßnahmen mussten die Patienten mit Wartezeiten rechnen. "Wenn jemand etwas schnell gebraucht hat, haben wir versucht es abzuwickeln." Die Patienten kamen von überall her, auch außerhalb von Kärnten. "Es gibt Patienten, die ich mehr als 35 Jahre lang begleitet habe. Ich habe meine medizinische Linie immer beibehalten. Ich habe sehr viel Wert auf Vorsorgemedizin gelegt, Nichtrauchen war mir ein wichtiges Thema."

"Keine Hilfe möglich"

Von homöopathischen Mitteln hält Pressl nichts. "Es gibt unzählige Studien, die gezeigt haben, dass es nicht mehr als ein Placebo ist." Die Wissenschaftsdistanz nehme unter der Bevölkerung aber spürbar zu. "Der Großteil ist für Esoterik und Homöopathie empfänglich. Das ist mir jetzt durch die Corona-Pandemie stark bewusst geworden. Es war schwer, hier entgegenzusteuern. Die obskuren Meinungen haben zugenommen", sagt Pressl, dem bei seiner jahrzehntelangen Arbeit etwas bewegt hat: "Es hat sehr viele Situationen gegeben, in denen man wusste, dass dem Patienten medizinisch nicht geholfen werden kann." Derartiges habe Pressl aber nie mit heimgenommen. "Diese Distanz bekommt man aber auch erst durch die Routine."

In den über drei Jahrzehnten habe es am radiologischen, technischen und onkologischen Sektor viele Fortschritte gegeben. "Es ist alles präziser, schneller und detaillierter. Auch das Vorsorgebewusstsein bei Patienten ist gestiegen", sagt Pressl. Im Ruhestand wird sich Pressl seinen Hobbys, dem Schachspielen, Lesen, Wandern und Reisen widmen. Aber auch seine zwei Enkelkinder werden für Abwechslung sorgen. Mit ihm geht auch seine Frau Barbara (63) zeitgleich in Pension. Sie unterstützte ihren Mann mit weiteren Mitarbeiterinnen in der Ordination. Sieben Ordinationsgehilfinnen werden von den Nachfolgern übernommen. "Es war ein gegenseitiges Vertrauen. Ich konnte mich auf alle verlassen, was meine Arbeit erleichtert hat. Sehr schade finde ich, dass das Personal auch oftmals unfreundlich behandelt worden ist", sagt Pressl. Nach all den Jahren fühlt sich der Radentheiner im Lavanttal verwurzelt. Seine Patienten werde er vielleicht noch im Kaffeehaus treffen. "Ich kann leicht loslassen. Das habe ich schon oft müssen."