Marina Baumgartner ist in der Gastronomie groß geworden. Ihre Eltern führten einen Gasthof in Feistritz an der Gail. Hier hat sie gelernt, wie man das Besteck richtig wickelt. "Mit viel Liebe, denn sonst hält es nicht", sagt sie, während sie ihrer Arbeit im Café und Bistro "gernda" der Diakonie de la Tour im Klagenfurter Stadtteil Harbach nachgeht. Ihrer ersten Arbeit, bei der sie vollversichert ist und kollektivvertraglich entlohnt wird.
Keine Selbstverständlichkeit, denn Marina hat eine Behinderung. Menschen wie sie werden in Österreich oft bereits im Teenageralter für arbeitsunfähig erklärt und können in der Folge häufig nur innerhalb von Werkstatt-Strukturen einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Dort erhalten sie keinen Lohn, sondern nur ein Taschengeld.
Ort der Begegnung
Dass zwischen "arbeitsfähig" und "arbeitsunfähig" ein breiter Spielraum liegt, weiß Katja Egger-Riepl, Leiterin des Bereichs Leben mit Assistenz in der Diakonie. Für dieses Spektrum wurden im "gernda" die sogenannten "cool+"-Arbeitsplätze geschaffen. Vier sind es aktuell, acht sollen es nach dem Endausbau im Herbst sein. "Unsere 'cool+'-Mitarbeiter arbeiten 18,5 Stunden die Woche und sind flexibel einsetzbar. Unterstützung erhalten sie von drei Fachkräften", sagt Egger-Riepl.
Im April startete der interne Probebetrieb. Dabei hätte sich gezeigt, wer besser, wann und mit wem zusammenarbeiten kann, erzählt Teamleiterin Marina Jellitsch. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 6. Mai. Seitdem hat das "gernda" Montag bis Freitag von neun bis 18 Uhr geöffnet. Die "cool+"-Mitarbeiter übernehmen, außer der Kasse, sämtliche Aufgaben in Küche und Service. Jeden Tag gibt es ein Menü, der Schwerpunkt liegt auf vegetarischen Gerichten. Zusätzlich werden Sandwiches, Kuchen und Getränke mit und ohne Alkohol serviert. "Wir kochen alles frisch und verwenden möglichst viele regionale Produkte", sagt Jellitsch. Menschen mit und ohne Behinderungen treffen hier aufeinander. Zum Essen kommen Schüler, Familien sowie Senioren aus dem benachbarten Pflegeheim. Die Begegnungen passieren so unterschwellig, dass sie als selbstverständlich wahrgenommen werden sollen.
Eigene Wohnungen
Teil des Integrationsprozesses ist es, dass Marina und ihre Kollegen im April eigene Wohnungen unweit des Cafés beziehen konnten. Eine stundenweise anwesende Assistenzperson hilft bei Alltagserledigungen. "Sie zeigen mir, wie ich den Bus nutzen kann, um zum Bahnhof zu kommen", sagt Marina, die die Wochenenden nutzt, um nach Hause ins Gailtal zu fahren.
Neben dem "gernda" betreibt die Diakonie in Harbach eine klassische Beschäftigungswerkstätte, die Stadtwerkstatt. Synergien werden genutzt: Hier werden nicht nur die Kaffeekekse und Kuchen für den Gastronomiebetrieb erzeugt, auch die Arbeitskleidung wird gewaschen, getrocknet und gebügelt. Im Gegenzug sind die sieben Klienten der Stadtwerkstatt regelmäßig zum Mittagessen im Bistro zu Gast.