Der bundesweite Junos-Spitzenkandidat Lukas Schobesberger meint, dass die Struktur der ÖH kaputt ist. Stimmt das?
Philip Kucher: Es ist die gemeinsame Aufgabe aller Menschen, die dort politisch tätig sind, die ÖH zu stärken. Es gibt aber einen Hauptstreitpunkt innerhalb der ÖH-Fraktionen: Die einen wollen rein serviceorientiert arbeiten, die anderen politisch. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass du beides brauchst. Du musst eine starke politische Stimme sein, gleichzeitig aber auch den bestmöglichen Service bieten und für die Kolleginnen und Kollegen arbeiten.
2007 lag die Wahlbeteiligung bei der ÖH-Wahl bundesweit bei 28 Prozent, 2021 bei 15 Prozent. An der Universität Klagenfurt waren es zuletzt überhaupt nur acht Prozent. Anscheinend braucht man die ÖH gar nicht?
Die geringe Wahlbeteiligung ist natürlich bedauerlich. Die Frage ist aber, wie man sie gemeinsam steigern kann. Wenn man über Jahre hinweg als Hochschülerschaft auf die Sorgen und Nöte der Studierenden hinweist und im Wissenschaftsministerium vor verschlossenen Türen steht, ist die Wahlbeteiligung auch die Folge einer Blockadepolitik der ÖVP. Jungen Menschen wieder Vertrauen zu geben, dass demokratische Beteiligung auch Veränderung schaffen kann, ist eine gemeinsame Aufgabe der ÖH, Politik und der Gesellschaft.
Damit alleine kann aber die geringe Wahlbeteiligung nicht begründet werden. Was macht die ÖH falsch?
Es ist schon eine Frage der eigenen Zeitressourcen. Die Erwartungen, die beim Studienerfolg höher geworden sind und gleichzeitig die Verpflichtung, arbeiten zu müssen, um leben zu können, führte dazu, dass man weniger Zeit hat, sich ehrenamtlich zu engagieren.
Würde Ihnen konkret einfallen, wie man die Wahlbeteiligung steigern kann?
Reden, reden, reden, Menschen überzeugen und mitnehmen. Das ist die wichtigste Aufgabe einer Wahlbewegung. Menschen zu begeistern, damit sie sich einbringen.
Die ÖH-Fraktionen legen im Wahlkampf den Fokus auf leistbares Wohnen oder Gleichberechtigung. Kann die ÖH hier überhaupt etwas verändern?
Wenn wir uns die Mietpreissteigerungen ansehen, dann ist das ein dramatisches Thema, das die jungen Leute auch betrifft. Wer, wenn nicht die ÖH hat die Aufgabe, das zu adressieren. Wenn du jeden Tag verzweifelte Menschen in der Studienberatung hast, macht es einen Unterschied, ob du eine Bundesregierung hast, die dafür kämpft, dass Studentenwohnheime errichtet werden oder nicht. Als ÖH hat man die Pflicht, die Politik darauf aufmerksam zu machen, tätig zu werden.
Hat sie das in den letzten Jahren gut genug gemacht?
Die ÖH war extrem konsequent. Gerade in der Coronaphase haben wir über alle möglichen Formen der Wirtschaftsförderung diskutiert. Dass man aber in der Politik deutlich darüber geredet hätte, wie es jungen Menschen geht, die sich kein Essen mehr leisten können oder es dramatisch ist, wenn Schuhe kaputtgehen, fehlte.
Nimmt die Politik die ÖH nicht ernst?
Ich glaube, dass sie die Notlagen der Studierenden zu wenig ernst nimmt und wir einen dramatischen Aufholbedarf haben, weil es viel zu sehr davon abhängt, in welche Familie man hineingeboren wurde und ob die Eltern sich ein Studium leisten können. Wenn wir immer davon reden, wie wichtig es ist, in einer Wissensgesellschaft die besten Köpfe zu haben, darf man kein Kind zurücklassen.
An der Universität Klagenfurt sind Gender- und LGBTQI-Themen präsent. Sind das die Themen, auf die sich die ÖH stürzen soll?
Die Frage, wie man die Gleichberechtigung der Geschlechter und den respektvollen Umgang miteinander ermöglichen kann, ist natürlich ein Thema. Es ist wichtig, quer durch alle Bereiche die Gleichstellung der Frau mehr zum Thema zu machen und darauf hinzuweisen. Das ist in Kombination mit dem Service eine der Aufgaben der Hochschülerschaft. Leistbares Wohnen ist genauso wichtig wie Ökologie und Nachhaltigkeit oder die Gleichstellung der Geschlechter.
Reichen Spritzerstand und FLINTA*-Stammtische (Anm.: FLINTA steht für Frauen, Lesben, Inter, Non-Binary, Trans und Agender*) aus, um das zu erreichen?
Es geht immer um die Mischung. Gerade an der Universität Klagenfurt ist der amikale und respektvolle Umgang zwischen Lehrenden und Studierenden einzigartig. Es ist wichtig, dass es gemütliche Möglichkeiten gibt, sich miteinander auszutauschen und sich unkompliziert zu treffen, wenn man Unterstützung braucht.
Was kann die Universität besser machen?
Es gibt die Gremien an der Universität, die darüber befinden müssen. Es gilt eher darum, um mehr Geld für Universitäten und Fachhochschulen zu kämpfen. Ich glaube, dass die Uni auf einem guten Weg ist. Es gibt aber die Aufgabe, zum Beispiel das Univiertel näher an die Stadt zu bringen und die Innenstadt zu beleben.
Muss man dafür auch die ÖH in die Pflicht nehmen?
Es ist eine gemeinsame Aufgabe der Stadt und der Hochschülerschaft, bei der man sich ansehen muss, wie man Klagenfurt als Studentenstadt noch deutlicher machen kann. Dafür ist aber zum Beispiel leistbares Wohnen in der Innenstadt wichtig, darüber gibt es auch Gespräche mit der Universität.