Herr Dr. Amberger, Sie müssen aufgrund Ihres Alters Ihren Kassenvertrag zurücklegen. Fühlen Sie sich altersdiskriminiert?
Walter Amberger: Generell mag ich es nicht, wenn man nicht frei entscheiden kann, aber ich fühle mich nicht diskriminiert. Richter, Beamte und Lehrer müssen alle ab einer Altersgrenze in Pension gehen. Als Arzt hat man aber auch noch die Möglichkeit der Privatwirtschaft und so kann ich weitermachen.
Sie praktizieren seit 43 Jahren als Arzt, seit 1980 im Klinikum Klagenfurt und zusätzlich als Wahlarzt, seit 2011 als Kassenarzt und ab Juli wieder als Wahlarzt. Haben Sie sich eine persönliche Altersgrenze gelegt, wie lange Sie arbeiten möchten?
Ich schaue mir das erste Jahr einmal an, aber ich möchte schon noch mindestens fünf Jahre mit einer geringeren Stundenanzahl arbeiten. Derzeit habe ich eine 40 bis 50 Stundenwoche. Meine Frau arbeitet auch noch, die Kinder sind außer Haus.
Sie waren sowohl Wahl- als auch Kassenarzt. Wo sind die Probleme im Kassensystem? Viele Ärzte entscheiden sich für eine Wahlarzt-Ordination ...
Das Problem der Kassenmedizin ist, dass die Zeit, also das Gespräch mit den Patienten, nicht honoriert wird. Es sollte leistungsorientiert honoriert werden, aber nicht nur nach den technischen Untersuchungen. Das ist der große Unterschied. Der Wahlarzt kann sich die Zeit honorieren lassen. Die Folge ist, dass viele Kassenärzte wenig Zeit für Patienten haben, oder sie nehmen sich die Zeit und sitzen, so wie ich, von in der Früh bis am Abend in der Ordination. Die Arbeit als Kassenarzt ist auch etwas einsam, der Austausch mit Kollegen, wie im Klinikum, fehlt.
Sie sind seit Jahrzehnten in der Neurologie tätig. Mit welchen Problemen kommen die Leute zu Ihnen? Haben sich diese im Laufe der Zeit verändert?
Vor 30 Jahren ist man wegen eines Schmerzes, vor allem chronischer Schmerzen, kaum zum Arzt gegangen. Chronische Schmerzkrankheiten mit ihren sozial- und psychologischen Faktoren waren kein wirklicher Begriff. Zu mir kommen sehr viele Patienten mit Kopf- und Gesichtsschmerzen. Ich habe täglich Migränepatienten. Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, diese kann man mittlerweile gut behandeln.
Sie sind aufgrund Ihrer Arbeit täglich geistig gefordert. Wie halten Sie sich fit?
Ich unterhalte mich sehr gerne mit Menschen. Das Denken und Mitdenken dabei fördert geistige Fitness. Ich lese sehr viel und ich höre gerne Musik. Gerade mit Musik kann ich gezielt abschalten, das ist für mich eine Art Meditation. Manche sportliche Aktivitäten sind seit meinem Autounfall 2007 leider nicht mehr so gut möglich, wobei ich mittlerweile wieder Ski fahre. Ich bin sehr gerne in der Natur und genieße die Sonne.
Sie sind Schmerzspezialist. Was raten Sie Patienten mit chronischen Schmerzen?
Schmerz hat eine Alarmfunktion. Wenn ich mich verbrenne, dann weiß ich, ich muss den Finger von der Herdplatte nehmen. Wenn das aber vorbei ist, dann hat der Schmerz keine wichtige Funktion mehr. Hier passiert sehr viel auf mentaler Ebene. Ich habe nach einem Verkehrsunfall starke Schmerzen in den Füßen gehabt. Ich habe aber immer versucht, den Schmerz nicht zu meinem dominierenden Lebensinhalt zu machen. Da kann man mental sehr viel machen. Wichtig ist, dass man früh damit anfängt. Je früher man bei Schmerzen handelt, desto eher besteht die Chance auf Verbesserung. Leider ist es aber oft so, dass Patienten anfangs den Schmerz ignorieren und dann nicht gleich den richtigen medizinischen Ansprechpartner finden.
Warum üben Sie Ihren Beruf noch immer gerne aus?
Ich kommuniziere gerne, mich fasziniert es, ein Problem zu analysieren und schlussendlich zu lösen. Dies ist oft der einzige Weg zu einer richtigen Diagnose. Dieser Weg braucht jedoch die Ressource Zeit. Mir ist bewusst, dass Heilungen in der Medizin nicht immer möglich und eher selten sind. Mann kann eine Angina mit Antibiotikum heilen. Aber man kann keine Hypertonie, keinen Diabetes, keine Epilepsie heilen. Man kann jedoch Menschen so begleiten, dass sie trotz ihrer Krankheiten ein gutes Leben führen können. Ich habe Patienten, die schon seit 35 Jahren zu mir kommen.
Daniela Grössing