Sie sind seit 2015 an der TFP Kinderwunschklinik in Klagenfurt tätig und haben nun die Leitung übernommen. Wer kommt in Ihre Klinik?
Michael Rettl: Wir sind eine relativ große Klinik, die zwischen 800 und 900 Kinderwunschbehandlungen im Jahr macht. Wir sind führend in Österreich und daher kommen viele Patienten auch von außerhalb Kärntens, etwa aus der Steiermark oder Deutschland. 40 Prozent unserer Patienten sind aus Italien, es sind sogar Paare aus Sizilien bei uns in Behandlung.
Warum ist die Klinik bei Italienern so beliebt?
Die Wartezeiten sind in Italien länger und die Ergebnisse teils schlechter. Durch die vielen Erfolge haben wir auch in Italien einen guten Ruf.
Wie alt sind die Patienten und welche Geschichte bringen diese mit?
Ganz unterschiedlich. Es können Patienten sein, die erst 22 Jahre alt sind und Patientinnen über 45 Jahren. Die Gründe für den noch nicht erfüllten Kinderwunsch sind ganz vielfältig. Das können nicht durchgängige Eileiter sein oder häufig kommt Endometriose bei Frauen vor, das ist Gebärmutterschleim, der sich außerhalb der Gebärmutter befindet und chronische Entzündungen verursacht. Zehn bis 15 Prozent unserer Patienten sind davon betroffen. Ganz wichtig ist, dass man den Mann nicht vergisst. Ein schlechter Samenbefund ist oft die Ursache. Meistens ist es jedoch eine Kombination, der Grund liegt häufig nicht nur bei einem Partner.
Laut Statistik Austria hat sich das Durchschnittsalter von Frauen, die zum ersten Mal Mutter werden, von 25 Jahre vor 30 Jahren auf 30,2 Jahre erhöht. Wie bewirkt sich das auf den Kinderwunsch?
Das Alter spielt eine große Rolle. Bereits ab Mitte 20 beginnt die Fruchtbarkeit bei Frauen abzunehmen, daher gilt: je älter, desto niedriger die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft.
Immer wieder liest und hört man, dass Frauen mit Mitte 40 Kinder bekommen. Ist das mittlerweile normal oder immer noch die Ausnahme?
Es wurden in einer Studie an die 200 Medienberichte von berühmten Personen ausgewertet, in denen solche Einzelfälle beschrieben wurden. Das suggeriert schon, dass Frauen Zeit haben. Jedoch steckt nicht selten eine Eizellspende dahinter. Die medizinische Statistik ist nämlich beinhart: Ab 40 führen drei bis vier Eizellen von 100 zu einem Kind. Man hat eine Eizelle pro Zyklus. Da kann man sich dann ausrechnen, wie hoch die Chancen wirklich sind. Deswegen sollte man mit dem Kinderwunsch nicht zu lange warten. Wenn es nach einer gewissen Zeit nicht klappt, sollte man sich zumindest frühzeitig informieren. In der Schule wird viel aufgeklärt über Verhütung, aber wenig über Fruchtbarkeit.
Um Paaren und Frauen generell mehr Zeit zu verschaffen, kann man in einigen europäischen Ländern, wie zum Beispiel Deutschland, in jungen Jahren Eizellen einfrieren. Warum ist dies in Österreich verboten?
Das ist ein großes Problem. Da haben wir wirklich einen Nachteil. Bei uns gibt es nur das sogenannte "medical egg freezing", also das Einfrieren von Eizellen aus medizinischen Gründen, zum Beispiel vor einer Strahlenbehandlung aufgrund einer Krebserkrankung. Es wäre wünschenswert, dass alle Frauen in Österreich diese Möglichkeit hätten. Es wäre sehr wichtig für die Freiheit der Frau, die ihre Fruchtbarkeit erhalten möchte. Ich vermute, dass der ethische Grund dahinter der ist, dass es bereits große ausländische Firmen gibt, die Frauen das Einfrieren ihrer Eizellen anbieten, im Gegensatz dazu, dass sie sich für Jahre an das Unternehmen binden. Aber das könnte man ja in Österreich anders regeln.
Kinderwunschbehandlungen haben den Ruf, teuer zu sein. Ist das ein Luxus, den sich nur Wohlhabende leisten können?
Es gibt in Österreich einen IVF-Fonds, das ist eine Art Krankenversicherung, der übernimmt 70 Prozent der Kosten für eine künstliche Befruchtung, wenn die Patienten förderwürdig sind. Frauen müssen unter 40 Jahre alt sein, Männer unter 50. Als Selbstbehalt bleiben dann ungefähr pro Behandlungszyklus 2000 Euro übrig.
Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Ich habe mich schon im Studium dafür interessiert, weil es mich schockiert hat, dass weltweit weniger als ein Drittel der Schwangerschaften von Ärzten begleitet werden. Daher wollte ich in diesem Bereich helfen. Mir liegt die Frauengesundheit am Herzen.
Sie überbringen Nachrichten, die das Leben der Paare für immer verändern, positiv wie negativ. Wie gehen Sie damit um?
Es ist ein gemeinsamer Wegabschnitt und ich möchte ein guter Begleiter sein. Ich freue mich, dass die Paare aufgrund der tollen Teamarbeit im Institut in sehr guten Händen sind. Klappt es einmal nicht, tröste ich mich damit, alles versucht zu haben.
Daniela Grössing