In der Kärntner Bevölkerung macht sich ein „Gefühl einer Insolvenzwelle“ breit. Doch die Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. „Der aktuelle Anstieg ist eher als Normalisierung zu werten“, erklärt dazu Beatrix Jernej vom AKV Klagenfurt. „Viele Betriebe sind unter dem Eindruck von Corona in den vergangenen Jahren mit massiven staatlichen Unterstützungen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt worden und die Insolvenzzahlen befanden sich am Tiefstand.“ Allerdings werden nun, laut Jernej, von den staatlichen Stellen, wie Finanzamt oder Krankenkassen, die in der Vergangenheit angesammelten „Insolvenzleichen aus dem Keller geholt“.
Im Raum Klagenfurt (Stadt und Land) kam es in diesem Jahr zu einem Anstieg der Firmeninsolvenzen um rund 36 Prozent (2022: 121, 2023: 164 Verfahren). Davon wurden rund 72 Prozent der Insolvenzen über Anträge von Gläubigern wie eben den staatlichen Behörden eingeleitet. Von den insgesamt 164 beim Landesgericht Klagenfurt anhängigen Verfahren wurden 95 Insolvenzverfahren allerdings mangels Vermögen nicht eröffnet und sind vom Konkursgericht wegen Massearmut abgewiesen worden.
Rund 80 Prozent der insolventen Unternehmen haben den Firmensitz in der Landeshauptstadt, der Rest, also 20 Prozent, kommt aus dem Bezirk Klagenfurt-Land. Die Verbindlichkeiten bei den Gläubigern sind von 19,53 Millionen Euro (im Jahr 2022) auf rund 31,1 Millionen Euro im Jahr 2023 gestiegen. „210 Dienstnehmer waren von den Insolvenzen betroffen. Hier bleibt die Zahl beinahe unverändert“, erklärt Beatrix Jernej mit einem Blick auf die Statistik. „Daraus kann abgeleitet werden, dassmehrheitlich Kleinstunternehmen mit durchschnittlich drei Dienstnehmern zahlungsunfähig wurden“, erklärt Jernej.
Die meisten Firmenpleiten im Raum Klagenfurt entfielen auf die Gastronomie, gefolgt auf Unternehmen aus Bau- und Immobilienwirtschaft und dem Handelsgewerbe. Einen auffallenden Anstieg der Insolvenzen ist auch bei den Hausbetreuungen feststellbar.
Die größte Insolvenz im Jahr 2023 im Raum Klagenfurt war die Firma OAK-Depot GmbH mit Sitz mit Verbindlichkeiten von rund 4,4 Millionen Euro. An zweiter Stelle rangiert die mit Elektronikprodukten handelnde Firma M.M.55 Handels GmbH in der Klagenfurter Primoschgasse mit Verbindlichkeiten von rund 4,3 Millionen Euro und schließlich die mit Hanfpflanzen handelnde Firma MFP My First Plant GmbH mit Sitz am Arthur-Lemisch-Platz 3. Hier rechnet der Insolvenzverwalter mit Verbindlichkeiten mit rund vier Millionen Euro.
„Die robuste Lage am Arbeitsmarkt verhindert dagegen bislang noch eine deutliche Zunahme bei den Privatinsolvenzen“, ist sich die Expertin sicher. Der Anstieg zum Vorjahr beziffert sich lediglich mit zirka Prozent. Im Vergleich zum Normaljahr 2019, in welchem im Bezirk 283 Privatinsolvenzen anhängig waren, gibt es noch immer um fast sieben Prozent weniger Privatinsolvenzen.
Die meisten Schuldner kommen aus Klagenfurt
85 Prozent der verschuldeten Privatpersonen kommen aus der Landeshauptstadt, nur 15 Prozent der Personen aus den Umlandgemeinden. Die Höhe der Passiva bei den Privatinsolvenzen hat im Vergleich zum Jahr 2022 leicht abgenommen von rund 31,04 Millionen Euro im Jahr 2022 auf rund 29,5 Millionen Euro im Jahr 2023. Die durchschnittliche Verschuldung liegt somit bei 110.000 Euro und hat damit abgenommen. (2022: 132.000 Euro).
Jernej wagt einen vorsichtigen Blick in die Zukunft: „Aus heutiger Sicht wird mit einem weiteren Anstieg der Firmenpleiten gerechnet, denn die Firmen brechen unter den zunehmenden Belastungen der hohen Energiepreise und der Zinswende zusammen. Die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie die erhöhten Zinsen und die deutlich zurückgehende Nachfrage, werden nicht nur weiterhin Projektentwickler und Bauträger in Bedängnis bringen, sondern schon bald auch die Handwerksbetriebe.“ Im Bereich der Privatinsolvenzen erwartet die Kreditschützerin angesichts der schwachen Konjunkturaussichten ebenfalls steigende Zahlen, zumal sich die Überschuldungssituation vieler Menschen deutlich verschlechtert habe.