Abenteuerlich gestaltet sich die Fahrt von Klagenfurt aus Richtung Südosten. Eine enge Straße schlängelt sich kilometerlang durch die nördlichen Ausläufer der Karawanken in die Ortschaft Zell-Pfarre. Alle Bergdorf-Stereotypen werden auf den 948 Höhenmetern bedient: Das Gemeindeamt steht gegenüber der Kirche, vom benachbarten Gasthaus sind es nur ein paar Schritte zur Volksschule. Umrahmt wird alles durch das Ferlacher Horn, den Freiberg, den Hochobir und den Koschutnikturm. Ein Panorama, das bedrohlich und schützend zugleich wirkt.

Und zur Lage der Gemeinde passt. 583 Personen leben in den sieben Ortschaften von Zell-Sele. Anhand der Einwohnerzahl ist die Kommune die kleinste in ganz Kärnten. Eine Tendenz zur Trendumkehr gibt es nicht - im Gegenteil: Zell gehen die Bürger aus.

Man hat alles, was man braucht

Ob sich etwas ändern muss? „Es gibt eine Loipe und einen Wanderweg. Viel mehr braucht es nicht“, erzählt eine alteingesessene Zellanerin. Viele fanden in der abgeschiedenen und dennoch nur 35 Autominuten von Klagenfurt entfernten Idylle ihren Frieden. Bürgermeister Heribert Kulmesch (SPÖ) sucht diesen wieder. Ihn plagen die Sorgen, mit denen sich die Gemeinde herumschlagen muss.

Keine Bewohner, keine Großbetriebe, kein Tourismus. Ein großes Minus von 450.000 Euro winkt im Jahr 2024. Dass man jemals ausgeglichen bilanzieren wird, hält Kulmesch aufgrund der geografischen Lage für ausgeschlossen. Der „drohende Exodus“ muss dennoch abgewehrt werden, sind sich Bürgermeister und der ganze Gemeinderat sicher. Schaffen möchte man das mit einem neuen Ortsentwicklungskonzept. Rund 50 Seiten halten vier wesentliche Projekte fest.

Kulmesch und „sein“ Masterplan
Kulmesch und „sein“ Masterplan © KLZ / Marco-William Ninaus

In seinen 35 Jahren als Gemeindebürger habe sich vieles verändert, erzählt Kulmesch. „Die Menschen verarmen. Nicht finanziell, sondern sozial. Es gibt keinen Austausch und kein lebendiges Dorfleben mehr.“ Ändern soll sich das mit einem Dorfplatz, der vor dem Gemeindeamt entstehen wird. Errichtet wird dieser im Zuge der Ortsdurchfahrtssanierung, einem 800.000 Euro schweren Vorhaben.

1,6 Millionen Euro für ein Sicherheitszentrum

Zum Ort der Begegnung wird auch das Sicherheitszentrum, das neue Zuhause der Freiwilligen Feuerwehr. Platz wird auch für die Ferlacher Bergrettung und die Alpinpolizei gemacht. Im Blackout- und Katastrophenfall verwandelt sich das Zentrum in einen „Leuchtturm“, eine Anlaufstelle für hilfesuchende Bürger. 1,6 Millionen Euro fließen in den Bau.

Ganze 1,5 Millionen Euro investiert Zell in den Hochwasserschutz. „Im Sommer haben wir vor der Volksschule das Geschiebe gehabt“, erzählt Kulmesch. Zwei Bäche im Ortskern werden mittels Rückhaltebecken für ein 100-jährliches Hochwasserereignis gerüstet.

Dem größten Problem, der Abwanderung, steuert die Gemeinde mit 9000 Quadratmeter Bauland entgegen, das man erworben hat, erschließen wird und in erster Linie an Familien weiterverkaufen möchte. Nur so kann die Volksschule wieder 50, und nicht 20 Kinder unterrichten, das Gastro-Sterben verhindert und der Abwanderungstrend gestoppt werden.

Schlechte Erfahrungen

3,9 Millionen Euro kostet die Umsetzung des Masterplans, davon könnten 1,5 Millionen Euro die Gemeinde stemmen, beim Rest hofft man auf Land und Bund. Beim Wort Investor bekommt Kulmesch Bauchweh.

Schlechte Erfahrungen machte man schon mit dem früheren Andritz-Manager Wolfgang Leitner: „Er riss sich vieles unter den Nagel, kaufte zwei Höfe und Wald auf. Gebracht hat das dem Ort aber nichts, man hat mehr Barrieren als einen Nutzen und das ist schade“, erzählt Kulmesch. Viel mehr setzt Zell auf den Gemeindezusammenhalt, der mit dem Projekt angekurbelt werden soll.

Deutschsprachige in der Minderheit

Denn auch dieser war schon besser. 80 Prozent der Bewohner beherrschen Deutsch und Slowenisch, wobei zweiteres die erste Wahl ist. Auf den Gängen des Gemeindeamts oder am Altar in der Sonntagsmesse spricht man Slowenisch. „Zuziehende tun sich schwer und fühlen sich ausgeschlossen. Deutschsprachige sind die Minderheit und auf die dürfen wir nicht vergessen“, sagt Kulmesch.

Der Masterplan wird als Weg zur Entwicklung und Entfaltung gesehen. Im Frühjahr erfolgt der Startschuss, in drei Jahren sollen die Kernprojekte verwirklicht sein. Die nächsten zehn Jahre soll der Masterplan nicht nur baulich, sondern auch gesellschaftlich einiges bewegen. Damit wieder mehr Menschen den abenteuerlichen Weg nach Zell-Sele suchen.