Willst du mit mir spielen?“, fragt Lucy (sieben, Name von der Redaktion geändert) und packt „Uno“ und ein Memory aus. Sie lacht und blickt die Besucherin vertrauensvoll an. Schnell ist sie mittendrin im Spiel, was ihr viel leichter gelingt als das Zuhören in der Schule, wo sie wegen ihrer Lernschwäche nicht gut mitkommt und sich oft überfordert fühlt. Neue Aufgaben sind ein Stress für Lucy, ebenso wie manche Mitschüler, die aggressiv sind. Das hält die zarte Lucy, die Entwicklungsverzögerungen aufweist, sehr schwer aus. Sie ist immer noch traumatisiert vom langen Krankenhausaufenthalt im Sommer. Ganze drei Monate lang musste sie stationär in einer Klinik in einem anderen Bundesland verbringen. „Auf der Kinder-Intensiv“, sagt Lucy aufgeregt. Sie hat alles noch im Kopf. „So viele Schläuche“. Und viele Schmerzen. „Immer Aua“. Die kleine Lucy musste sechs Operationen über sich ergehen lassen. Sie ist schwer leberkrank. Schon wenige Monate nach ihrer Geburt wurden eine Gallenwegsfehlbildung und Leberversagen festgestellt. „Sie war ganz gelb und schwach. Sie hatte Gelbsucht“, erzählt ihre Mutter. Bereits im Alter von nur drei Monaten musste das Baby eine Lebertransplantation ertragen. Der Kindesvater hatte der Kleinen einen Teil seiner Leber gespendet.
„Es war entsetzlich, das alles miterleben zu müssen. Ich hatte große Angst“, schildert die mittlerweile alleinerziehende Mutter ihren Albtraum, von dem sie sich bis heute nicht erholt hat. Sie leidet unter Depressionen.
Lange Krankenhausaufenthalte
In den folgenden Lebensjahren musste Lucy alle paar Monate ins Krankenhaus und sehr viele Medikamente nehmen. „Es ging ihr einmal besser, dann wieder schlechter, es ist ein Hin und Her“, beschreibt die Mutter den psychischen Schwebezustand, der an ihren Nerven zerrt und ihr regelmäßig Panikattacken beschert. Ihrer Arbeit kann sie seit einigen Jahren nicht mehr nachgehen, sie muss immer abrufbereit sein, wenn Lucy wieder ins Krankenhaus muss. So wie im letzten Sommer, als nach mehreren Krankenhaus-Aufenthalten Gallensteine und eine Gallenwegsverengung diagnostiziert wurden. Um das zu beheben, dauerte es drei Monate. Immer wieder wurden unter Narkose die Gallenwege mit einem Ballon aufgeblasen und erweitert. Drei Monate lang war die Mutter bei Lucy im Krankenhaus, hat sie getröstet, wenn sie Angst vor einer neuen Operation und den folgenden Schmerzen hatte. „Es war nicht schön“, erinnert sich Lucy und deckt nebenbei wieder ein Memory-Paar auf. „Hurra“ ruft sie begeistert und freut sich darüber, die Besucherin besiegt zu haben. Sie ist ein fröhliches Kind, das negative Erfahrungen wegstecken kann, wenn eine positive Ablenkung stark genug ist. Am besten würde jetzt ihr Lieblingsfrucht-Imbiss wirken: Ananas. Aber jetzt ist keine da und sie darf auch nicht immer essen, was sie will. Die Mutter muss streng aufpassen. Auch darauf, dass sich Lucy nicht mit Bakterien oder Viren ansteckt. Schon lange vor Corona musste Lucy oft eine Schutzmaske tragen. Das hat ihre Integration in die neue Schule zusätzlich erschwert.
Pandemie Situation zusätzlich erschwert
Immer wieder fehlt die Schülerin im Unterricht, weil sie krank oder im Krankenhaus ist. Die Pandemie hat die Situation erschwert, mit Distance Learning sind Tochter und Mutter überfordert. Sie bräuchten beide kompetente Hilfe, die sie sich nicht leisten können.
Die Mutter hat große finanzielle Schwierigkeiten, die Fahrt- und Aufenthaltskosten während Lucys dreimonatigen Klinikaufenthalt waren hoch. Viele Medikamente werden von der Kasse nicht bezahlt. Allein die Rezeptgebühr für Antibiotika-Infusionen, die die Mutter ihrer Tochter mehrere Wochen lang drei Mal am Tag verabreichte, belastete ihr Konto schwer. Lucy bräuchte dringend mehr Logo- und Ergotherapie, zudem neue Winterschuhe, Kleidung und Lernmaterial. Dass alles überfordert die Mutter total.
Furcht jagt ihr auch die Prognose der Ärzte ein: Lucy wird bald wieder eine neue Leber brauchen. Dass die Kleine diese Transplantation gut überstehen und sich ihr Zustand dann verbessern wird, ist nun die große Weihnachtshoffnung.
Elke Fertschey