Er war ein gestandener Handwerker, der die Arbeit liebte, auch wenn sie manchmal gefährlich war, der gerne anpackte, sich vor schweren Lasten nicht scheute. Im In- und Ausland war er auf Montage auf Großprojekten unterwegs. Stress und Unfälle waren bei seiner herausfordernden Tätigkeit fast an der Tagesordnung, was ihn aber nie davon abhielt, weiterzumachen. Die Folge waren zahlreiche Operationen nach Stürzen, Brüchen, Bänderrissen, Wirbelverletzungen und sogar Gelenkszertrümmerungen.
Vor drei Jahren erlitt Herbert* einen Schlaganfall, rechter Arm und rechte Hand waren gelähmt. Davon hat er sich zum Teil erholt. Letztes Jahr wurde er mehrmals an der Wirbelsäule operiert, seit dem dritten Eingriff ist er querschnittgelähmt. „Als ich munter wurde, spürte ich nichts mehr“, erinnert sich Herbert an den Schock seines Lebens. „Die Beine und der ganze Unterkörper waren wie tot.“ Und das ist bis jetzt so geblieben. „Ich komme nicht klar damit“, sagt Herbert verzweifelt.
Seit einem Jahr sitzt er im Rollstuhl, zur Untätigkeit verdammt. Was im Krankenhaus passiert ist, weiß er immer noch nicht. Die geforderte Erklärung der Ärzte steht bis heute aus. „Für mich ist es sehr schwierig, nichts mehr tun zu können“, sagt der ehemalige Handwerker. Mit seiner Schwäche und Hilflosigkeit kann der lange Jahre so tatkräftige Mann nicht umgehen, weniger als mit den starken, krampfartigen Schmerzen. Die Morphiumpumpe im Bauch bringt nur teilweise Linderung. Die Bewegungslosigkeit hält er kaum aus.
„Ich will mobil sein, mich wenigstens mit Krücken bewegen, kann aber nicht. Das ist grausam.“ Er bräuchte dringend Physiotherapie, wegen des ersten und zweiten Lockdowns kann aber keine Therapeutin zu ihm kommen.
Herbert fühlt sich gefangen in Perspektivlosigkeit, Ausweglosigkeit und dumpfer Verzweiflung. Dass sich seine Freundin um ihn kümmert, ist ein kleiner Trost. Er hat aber Angst, ihr zur Last zu fallen und sie zu verlieren. Auch sie hat ein körperliches Handicap. Herbert muss gepflegt werden wie ein Kind, er braucht manchmal Windeln, hat einen Blasenkatheter. Er muss mit einem Lifter mit Gurtvorrichtung ins Bett gehoben werden. Länger als sechs, sieben Stunden kann er nicht im Rollstuhl sitzen, weil ihm dann sein Rücken unerträglich wehtut. Bei der Körperpflege hilft die Hauskrankenhilfe.
Eine schlimme Folge der Bewegungslosigkeit sind Druckstellen an den Fersen, Wasser in den Füßen und eine tiefe Wunde im Beckenbereich vom Liegen. Versorgt wird diese auf der Abteilung für plastische Chirurgie. Dorthin zu gelangen, ist für ihn immer ein Martyrium. „Ich hasse es, wenn mich die Leute anstarren wie einen Außerirdischen.“
Herbert braucht dringend Unterstützung bei der Adaptierung seiner neuen, barrierefreien Wohnung, die er lange gesucht hat und die keine Küche hatte. Er braucht Anti-Dekubitus-Matratzen, damit er nicht überall wund gelegen ist. Auch ein behindertengerechtes Auto wäre sehr hilfreich. Doch das ist nicht finanzierbar.
Herbert erzählt, oft zu träumen, er könne gehen und sei unterwegs. „Wenn ich dann aufwache, spüre ich grenzenlose Enttäuschung“, schildert er unter Tränen. Vom Arzt wurden Panikattacken diagnostiziert. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass mein restliches Leben so verläuft, dass ich so abgeschossen werde“, formuliert Herbert sein Dilemma. Mehr als die existenzielle Absicherung wünscht er sich die Fähigkeit, mit seiner Situation umgehen zu lernen. Mit Leidensgenossen würde er sich gerne austauschen. „Ich hoffe, noch irgendetwas aus meinem Leben machen zu können.“
*Name wurde von der Redaktion geändert
Elke Fertschey