Laut einer EU-SILC-Studie lag die Armutsgefährdung in Österreich bereits vor Corona bei 17 Prozent der Bevölkerung: Wird die Pandemie die Situation beschleunigen und warum?
CHRISTIAN EILE: Die Armutsgefährdung wird zunehmen, weil die Arbeitslosigkeit massiv im Steigen begriffen ist und sich die Konjunktur laut verschiedener Prognosen nur schleppend erholen wird. Der überwiegende Teil der Mindestsicherungsbezieher*innen sind „Aufstocker*innen“, das bedeutet, dass sie eine Aufzahlung zur Notstandshilfe oder zum Arbeitslosengeld erhalten. Damit liegt dieser Personenkreis schon heute unter der Armutsgefährdungsschwelle.
Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen und im Niedriglohnsektor konnten schon vor der Krise keine finanziellen Reserven bilden: Wie wirkt sich das heuer erschwerend aus?
Nach Auslaufen der Moratorien werden jetzt Zahlungen zu Mietrückständen fällig, die insbesondere bei Menschen ins Gewicht fallen, die aufgrund von Beschäftigungsverhältnissen unter der Armutsgefährdungsschwelle schon vor der Krise nicht in der Lage waren, einen finanziellen Notgroschen auf die Seite zu legen.
Wie hoch ist die Zahl der Betroffenen?
94.000 Menschen sind bereits armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Im Vergleich zu 2018 haben wir damit bereits vor der Krise eine Zunahme von ein Prozent verzeichnet. Der Einbruch der Wirtschaftsleistung hinterlässt in Kärnten erhebliche Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Für Oktober 2020 liegt die geschätzte Arbeitslosenquote bei 9,3 Prozent oder 24.500 Personen.
Das Armutsnetzwerk fordert eine Anhebung der Ausgleichszulage auf 1000 Euro. Welchen Effekt hätte dies?
Die Ausgleichszulage stockt die Mindestpensionen auf und dient als Richtwert bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (Sozialhilfe) und würde dementsprechend auch den Aufstocker*innen mit niedrigem Arbeitslosengeld oder niedriger Notstandshilfe helfen.
Welche Auswirkung hat die hohe Zahl an Arbeitslosen, auch in Hinblick auf die im internationalen Vergleich niedrige Nettoersatzquote von 55 Prozent vom letzten Gehalt?
Die bisher am Arbeitsmarkt benachteiligten Personengruppen haben noch weniger Chance einen Arbeitsplatz zu finden, weil durch die Krise auch besser Qualifizierte nach Arbeit suchen. Insofern ist ein Verdrängungseffekt zu befürchten. Die vergleichsweise niedrige Nettoersatzrate führt dazu, dass vormals prekär Beschäftigte und Mindestlohnbezieher*innen auf die Aufstockung der Mindestsicherung angewiesen sind.