Interview vom Sommer 2016, Turracher Höhe

Frau Oberhauser, die wichtigste Frage – wie geht es Ihnen aktuell?
SABINE OBERHAUSER: An und für sich gut, die Therapie ist vorbei, jetzt warten wir auf die Kontrollen und hoffen natürlich, dass der Krebs nicht mehr kommt. (Anm.: Nach einer ungeplanten Operation am Donnerstag wurden wieder Krebszellen entdeckt. Sabine Oberhauser muss sich nochmals einer Chemotherapie unterziehen).

Wie geht’s Ihrer Familie?
OBERHAUSER: Der einzige, der das alles miterlebt, ist ja mein Mann. Natürlich ist es auch für meine Mutter schwierig, und auch für meine Kinder. Es ist halt ein bisserl verdrängen, hoffen, fürchten, es ist ein Auf und Ab.

Sie sind von Anfang an offen mit Ihrer Krankheit umgegangen. Würden Sie das im Rückblick ändern?
OBERHAUSER: Nein. Das war der ideale Weg. Ich habe mich nie verstecken müssen, nie überlegen, wem ich was sage. Es gab keinen, der die große Wahrheit hätte erzählen können. Und was ich gespürt habe und auch noch immer spüre, ist eine irrsinnige Solidarität. Jetzt grad beim Spazieren gehen habe ich ein Ehepaar getroffen, das letztes Jahr auch da war. Sie haben gleich gesagt, wie froh sie sind, dass es mir gut geht. Das spüre ich die ganze Krankheit hindurch.

Die Offenheit macht aber auch angreifbar. Man sah das im Bundespräsidentenwahlkampf, wo Alexander Van der Bellen mit allen möglichen Gerüchten rund um angebliche Krebserkrankungen konfrontiert wurde.
OBERHAUSER: Das ist extrem lange vorbereitet worden, das ist „Dirty campaigning“. Es ist furchtbar, zu versuchen, Menschen aufgrund ihres Alters oder einer Erkrankung als unfähig darzustellen. Das gehört sich nicht, auch in der Politik nicht.

Zu einem deutlich schöneren Thema – Sie verbringen Ihren Urlaub heuer auf der Turrach, und das nicht zum ersten Mal.
OBERHAUSER: Wir sind schon seit 2009 auf der Turrach, zum achten mal heuer. Ich habe lange nach einem Ort gesucht, wo ich auch den Hund mitnehmen kann, und – da er ein Labi ist (Labrador, Anm.) – wo er schwimmen kann, und ich auch schwimmen kann. Beim Hochschober sind wir fündig geworden, da gibt’s ein tolles Seebad. So sind wir das erste Mal gekommen.

Auch mit dem Bezirk Murau verbinden Sie Erinnerungen?
OBERHAUSER: Als Kind, ich war vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt, waren wir viele Jahre in St. Georgen am Kreischberg auf Urlaub. Wir sind am Kreischberg Ski gefahren, und auch auf der Frauenalpe. Damals noch ohne Lift – mit einem alten VW-Bus, der hinten ausgebaut war, auf den Berg hinauf. Die Ski aufgeschnallt, und hinten hinein gehockt. Eine schöne Zeit. Abends dann zum Schafferwirt nach Murau und zu Fuß wieder heim.

Was brauchen Sie im Urlaub – Entspannung, Erholung, Action?
OBERHAUSER: Ich brauche eine ruhige Gegend, aber mit der Möglichkeit, aktiv zu sein. Wandern, Schwimmen. Also den ganzen Tag liegen mag ich auch nicht. Ich hab’s aber gerne, nicht auf die Uhr schauen zu müssen. Unsere Tage hier haben große Routine – heute etwa war ich schon um sieben Uhr das erste Mal im See schwimmen, dann am Vormittag eine Wanderung, am Nachmittag dann Lesen, Schlafen.

Wie gut funktioniert das Abschalten?
OBERHAUSER: Das Smartphone ist natürlich mit dabei. Je länger der Urlaub dauert, desto besser wird es aber. Aber natürlich, erreichbar muss man sein, und ungefähr schauen, was rennt.

Es gibt kaum Politiker, die auf Facebook mehr Privates preisgeben. Eine bewusste Entscheidung?
OBERHAUSER: Facebook mache ich schon lange, bevor ich Ministerin wurde. Und natürlich gab es Überlegungen, einen offiziellen Account anzulegen. Ich hatte da aber schon über 5000 Freunde und habe mir überlegt, na gut, dann machen wir so weiter und schauen, wie’s tut. Es war noch nie irgendwas. Das Einzige, was überhandnimmt, sind Anfragen über Facebook. Also Leute mit Problemen, die Ratschläge brauchen. Und wenn wir nicht befreundet sind, landen diese Nachrichten in einem extra Ordner, da muss man dann wieder alles durchschauen. Aber ausgenutzt hat meine Offenheit niemand.

Gerade in ländlichen Gegenden wir hier im Bezirk Murau oder zum Beispiel auch in Leoben ist die Gesundheitspolitik großes Thema. Viele Menschen kritisieren die schlechte Versorgung am Land. Was entgegnen Sie diesen Sorgen?
OBERHAUSER: Man muss das natürlich ernst nehmen. Gerade am Land gibt es immer ein Spannungsfeld zwischen wohnortnaher Versorgung und den für eine gute Qualität nötigen Kapazitäten, wie genügend OPs etc. In den kleineren Spitälern ist das natürlich schwieriger. Ein Thema, das die Leute am Land natürlich stärker verunsichert. In der Stadt bist du gleich einmal bei einem Spital. Am Land muss notfalls der Hubschrauber ausrücken, wobei das in der Nacht wieder schwierig ist. Letztendlich geht es hier um regionalpolitische Entscheidungen. Es ist eine extrem schwierige Gratwanderung zwischen Distanz, Sicherheit und Qualität. Was wir vor allem brauchen, ist eine starke wohnortnahe ambulante Versorgung. Das versuchen wir mit dem Ausbau der Primärversorgung, also größere Ärztegemeinschaften zusammenzubringen, die die Versorgung auch an Tagesrandzeiten sicherstellen.

Ein Vorwurf, gegen den Sie sich immer gewehrt haben, ist der, Sie hätten als Ministerin eine andere Behandlung bekommen als „normale“ Frauen. Hat jede Frau bei Krebs die gleiche Chance?
OBERHAUSER: Absolut. Der Krebs fragt nicht, ob jemand prominent, Ministerin oder arbeitslos ist. Er spricht auf die gleichen Medikamente an, die die gleichen Probleme verursachen. Der einzige Luxus, den ich hatte, war, Arbeiten gehen zu können. Weil du jemanden hast, der dich hinfährt, und wenn es nicht geht, auch wieder heimbringt.

Zentrales Thema bei vielen Berichten in den letzten Jahren waren Ihre Haare. Wird man als Frau anders behandelt als ein Mann?
OBERHAUSER: Das erste Mal, wo ich mit Glatze auftrat, stand in der APA: Oberhauser kommt mit Glatze. Ohne Haare hätte ich locker vertragen, aber Glatze war für mich schwierig. Ich hoffe natürlich, nie mehr Glatze tragen zu müssen, aber wenn, würde ich es wieder so machen. Freilich trifft es da Frauen härter. Nur die Frisur, die bleibt jetzt, viel praktischer. Wenn ich mir Fotos anschaue von früher, sehe ich schon, das ist jemand anderes. Optisch und als Mensch.

Unabhängig von der Krankheit, wie bringen Sie Familie, Kinder und Arbeit unter einen Hut?
OBERHAUSER: Ich bin nicht nur Mutter, sondern auch Großmutter (lacht). Wir haben einen drei Monate alten Enkel namens Emil. Natürlich braucht es ein strenges Zeitkorsett. Ich versuche, am Sonntag keine Termine zu machen, auch nicht privat.

Seit Juli sind Sie Frauenministerin – wie bereitet man sich auf so eine umfassende Aufgabe vor?
OBERHAUSER: Ich kann auf etwas Vorerfahrung zurückblicken, ich war ja Frauenvorsitzende des ÖGB und von 2000 bis 2002 Vorsitzende des österreichischen Frauenrings. Im Prinzip ist es riesige Netzwerkarbeit. Ich muss versuchen, an Frauen in unterschiedlichen Lebenswelten heranzukommen und Know how von allen zu bekommen. Unser nächster großer Brocken wird das Budget sein. Nachdem das Budget für Frauenarbeit seit 2009 nicht erhöht wurde und einen Anteil von 0,006 Prozent des BIP hat, werde ich versuchen, einen Spielraum zu schaffen.

Auch das Flüchtlingsthema wird in Ihrem Ressort Fragen aufwerfen, etwa nach dem Kopftuch. Wie stehen Sie dazu? Ist es Ausdruck der Versklavung der Frau, oder Zeichen individueller Freiheit?
OBERHAUSER: Ich gehe dieses Thema sehr überlegt an. Ich habe nichts gegen Kopftücher, bin aber irritiert von Gesichtsschleiern. Die Frage ist, ob man das als Religionsfreiheit sieht oder als etwas, das der Gleichstellung widerspricht. Ich sehe das sehr differenziert. Denn man muss auch bedenken, was passieren würde, wenn man Gesichtsschleier verbietet. Kommen die Frauen dann gar nicht mehr raus? Ich sehe es noch nicht ganz klar, aber die komplette Verschleierung ist zumindest nichts, dem ich entspannt gegenüberstehe.