Es ist ein kühler Herbstmorgen in Hörzendorf. In einem Garten brennt ein Feuer, neun Kinder sitzen auf Baumstämmen drumherum. Gut eingepackt in Jacken und Stiefel, verzehren sie ihr Frühstück: Äpfel, Nüsse und Butterbrote, die Fini, Lio und Merlin zuvor geschmiert haben. Dann nimmt Pädagogin Gabi Wallisch ihre Gitarre in die Hand. „Kinder, was wollt ihr singen?“, fragt sie in die Runde. „Das Kuchenlied“, lautet ein Vorschlag. Der erhält jedoch ein Veto von einem Kameraden: „Du immer mit deinem Kuchen! Wie wäre es mit dem Laternenlied?“ Und schon stimmen alle ein: „Ich gehe mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir ...“
„Ob sie sich denn auf das Laternenfest freuen“, will Gabi nach dem Singen von den Kindern wissen. „Es ist schlechtes Wetter angesagt“, gibt einer der Sechsjährigen zu bedenken. Freuen tun sich die Kinder aber trotzdem, denn man ist gut ausgerüstet. Deswegen proklamiert Gabi: „Das Wetter ist uns egal.“
Damit sind alle einverstanden und der Morgenkreis löst sich auf. Ein Trupp der Kinder räumt das Geschirr weg, während die anderen spielen.
Gut gelaunt geht es dann nach drinnen in den Klassenraum. Der Buchstabe „S“ steht heute auf dem Programm. S wie Seepferdchen. Das sind drei Silben: „See-pferd-chen“, erklärt Lio (6) vor der Tafel und macht demonstrativ im Rhythmus drei Schritte nach rechts. Seine Lehrerin Anna Kulle nickt zufrieden und bittet die nächste Schülerin nach vorne.
Lernen im Freien
Es scheint ein ganz normaler Schultag zu sein und für die Kinder ist es das auch. Aber diese Schule ist nicht wie die anderen: „Wir sind die allererste Draußenschule Österreichs“, erklärt Claudia Setschnagg. Gemeinsam mit ihrem Mann Markus und Waldpädagogin Gabi Wallisch hat sie das einzigartige Konzept erstellt: „Lesen, Schreiben und Rechnen lernt man nicht nur am Tisch. Der Körper braucht Bewegung, um kognitive Informationen verarbeiten zu können.“
Die Kinder verbringen viel Zeit im Freien. Vor, während und nach dem Unterricht (wetterabhängig) spielen und lernen sie draußen. Dazu werden beispielsweise Buchstaben mit Ästen gelegt, Beeren beim Pflücken gezählt oder einfach verschiedene Pilzarten beschrieben. Auch der Umgang miteinander und das Wahrnehmen verschiedener Aufgaben wie Abwasch oder Aufräumen gehören dazu.
Plätze bis 2026 belegt
Und das Konzept kommt gut an, denn die Plätze sind bereits bis 2026 ausgebucht: „In der heutigen Zeit haben Kinder oft zu wenig Bewegung. Die Eltern nehmen deshalb viel Fahrzeit auf sich, um die Kinder in unsere Schule zu schicken“, sagt Setschnagg. Aus den Bezirken St. Veit, Klagenfurt, Feldkirchen und Völkermarkt stammen die Schülerinnen und Schüler der allerersten Draußenschulklasse.
Das Gebäude der Schule in Hörzendorf wurde von Versicherungsmakler Martin Pirker zur Verfügung gestellt. Unterstützung erhält der Verein „Zwischen Wald und WLAN“ aber auch von Firmen wie der Bäckerei Nadrag aus Krumpendorf. Das ist wichtig, weil es sich aufgrund der Neuheit des Schulkonzepts um eine private Einrichtung handelt: „Erst wenn wir das Öffentlichkeitsrecht erlangen, können wir Förderungen erhalten und eine öffentliche Schule werden. Dazu sind wir im Austausch mit dem Bildungsministerium, der Prozess ist im Laufen.“
Digitalisierung
In Skandinavien gibt es bereits mehrere „Draußenschulen“. Wie der Vereinsname „Zwischen Wald und WLAN“ schon verrät, ist aber nicht nur die Zeit im Freien eine wichtige Komponente des Konzepts: „Wir spannen den Bogen hin zur Digitalisierung und sind dafür auch von der Villacher Firma Elbe mit Tabletts ausgestattet worden. Allerdings dürfen die Kinder sie erst in höheren Klassen verwenden und nur dann, wenn es Sinn macht“, erklärt Setschnagg. Kein Spielzeug, sondern ein Werkzeug, lautet die Devise für die digitalen Hilfsmittel.
Und so zeichnen Fini und Lio ein „S“ auf das Smartboard. „,S‘ wie Spaß“, sagt eines der Kinder. Das ist das Stichwort: Der Unterricht endet gegen 11 und die Kinder dürfen wieder nach draußen. Einige spielen mit Stöcken, andere setzen Narzissen ins Blumenbeet ein. Wieder andere turnen im selbst gestalteten Park.
Dass zwei Stunden vergangen sind, hat kaum jemand gemerkt. Bei all den Abenteuern im Freien, kann nur ein Ruf der Eltern den kindlichen Entdeckergeist stoppen. Am nächsten Schultag wird er wieder geweckt.