Kaum etwas hat heute länger Bestand. Es gibt für nichts eine Garantie, selbst wenn es auf dem Papier eine Garantie gibt. Eine Ehe hält oft nicht einmal mehr so lang wie ein Geschirrspüler. Also oft weniger als drei Jahre. Die Frustrationstoleranz wird immer geringer. Ich habe beim IKEA-Kundenservice eine Frau erlebt, die mit der Family-Card ihren Mann zurückgeben wollte. Und das nur deshalb, weil er das schwedische Ehebett „Lekvik“ nicht richtig zusammenbauen konnte.
Auch Berufe, die seinerzeit als bombensicher galten, haben heute keinen Bestand mehr. Dort wo früher der Herr Sabukoschek meine Erlagscheine abgestempelt hat, steht heute ein Automat. Wo einst der Fahrkartenschalter war, ist heute ein zugemauertes Loch, und davor ein Automat. Und dort, wo früher die Frau Höttinger in ihrer Trafik Zeitungen und Tschick verkaufte, dreht sich heute ein Döner-Spieß.
In der Politik gibt es ebenfalls keine Kontinuität mehr. Kaum hat man sich die Namen von Politikern gemerkt, sind sie auch schon wieder weg. Die Ära Kurz war, wie der Name schon sagt – überschaubar. Der gerade noch jüngste Bundeskanzler der Welt wurde von heute auf morgen zum Altkanzler. Noch dazu durch Fremdverschulden. Also so eine Überraschung! Wer hätte das gedacht, abgesehen von ein paar Hunderttausend FPÖ-Skeptikern. Aber die Märtyrerrolle steht einem Sebastian ja traditionell gut. Jetzt wurde er von einem australischen Wanderprediger auch noch quasi heiliggesprochen, und man kann davon ausgehen, dass im Herbst mit Gottes Segen noch mehr Leute zu Kurz kommen werden. Es sei denn, die SPÖ gewöhnt sich irgendwann doch noch an ihre Spitzenkandidatin, wovon aber nicht ausgegangen werden kann, weil die richtigen Roten spürbar fremdeln, wenn Frau Dr. Rendi-Wagner den Raum betritt. Die schauen drein wie bei einer angekündigten Prostata-Untersuchung. Zähne zusammenbeißen und durch. So sieht also volle Unterstützung aus: Der Kopf weiß, dass es sein muss, aber im Herzen kommt keine rechte Freude auf.
Der Kleine Braune im Innenministerium ist auch weg, geblieben sind im Ressort nur etliche von ihm eingesetzte Große Braune, nämlich jene mit echtem Pferdeschwanz. Was bleibt von einer „Bsoffenen G`schicht“ auf Ibiza? Lediglich ein Bierlein an der Spitze der Republik. Und plötzlich geschehen aus der Not heraus Dinge, die früher undenkbar gewesen wären, etwa dass es in der Regierung gleich viele Frauen wie Männer gibt, oder dass die Minister Experten sind. Man höre und staune. Experten in der Regierung…sensationell. Schade eigentlich, dass das nur in Ausnahmesituationen möglich ist. Durch Wahlen ist eine Regierung von Fachleuten offenbar nicht herstellbar.
Wir haben also wie immer ein ziemliches Durcheinander. Wie tröstlich ist es da, dass zumindest in der Kirchenhierarchie Beständigkeit herrscht. Seit dem Mittelalter kann man sich darauf verlassen, dass Rom mit ruhiger Hand eingreift, wenn es darum geht, etwas aus dem Ruder Gelaufenes zu vertuschen, missliebige Kritiker in die Schranken zu weisen, aufmüpfige Köpfe zurechtzustutzen – kurzum, dem unwissenden Kirchenvolk zu zeigen, wo Gott wohnt. Nämlich im Vatikan und nirgendwo anders. Transparenz und Aufklärung sind Teufelszeug. Mächtige alte Männer schützen mächtige alte Männer, darauf ist seit jeher Verlass. Am Sündenfall ist seit Eva traditionell die Frau schuld, in unserem Fall ausschließlich die „Schattenbischöfin“. Der Mann hingegen ist frei von Schuld und wurde, wenn man dem Nuntius glaubt, sogar „befördert“. Da bleibt den vielen anständigen Christen nur mehr ungläubiges Staunen und Fassungslosigkeit. Denn bei dieser präpotenten Machthaberei geht irgendwann sogar dem geduldigsten Kirchgänger der Hut hoch. Ein System, das seine eigenen Moral-Maßstäbe dermaßen untergräbt, hat jegliches Recht verspielt, irgendjemandem zu erklären, was gut und was böse, was falsch und was richtig ist. Kehrt endlich vor der eigenen Tür! Willkommen im 21. Jahrhundert!
Christian Hölbling