Chaos am Hauptstrand von Grado, an dem es doch sonst so gesittet zugeht: Denn die Strandverwaltung hatte die Idee, an einigen Abschnitten die Liegen und Sonnenschirme bis in den November zur freien Verfügung stehenzulassen. Nun rückte aber ein sommerliches Hochdruckgebiet heran, die Menschen strömen ans Meer, die Liegen reichen nicht aus. Es kommt zu Gezeter und Gezerre, manche Touristen verstecken am Abend die Liege im Gebüsch, um sie am nächsten Morgen wieder ganz für sich zu haben. Und eine Touristin wollte eine Liege gar als Souvenir für daheim abtransportieren.
Die Wasserschutzpolizei Grados hat den Sommer zusammengefasst: 52 Personen mussten aus Seenot gerettet werden, 14.000 Euro an Straftickets wurden ausgestellt. Das Geheimnis bleibt aber "l‘annegata fantasma", die verschwundene Wasserleiche. Eine Tretbootfahrerin entdeckte eine tote Frau im Wasser (das behauptete sie jedenfalls) und löste eine mehrtägige Suche aus, die bis heute ergebnislos blieb. Auch eine Anfrage bei Interpol ergab keine vermisste Person, die irgendetwas mit Grado oder den umliegenden Orten zu tun gehabt haben könnte.
In diesen Tagen wurde der Commissario vorgestellt, der Grado nach dem Sturz des Bürgermeisters bis zu den Neuwahlen im Frühjahr regieren wird. Der Herr sieht exakt so akkurat und humorlos aus, wie ein Verwaltungsbeamter auszusehen hat, und er ist schon der neunte Commissario seit 1977, der nach einem vorzeitigen Regierungssturz übernehmen muss. Fun Fact: Claudio Kovatsch, der frisch abgesägte Bürgermeister, kam selbst einst als Commissario auf die Insel und hat in dieser Zeit offenbar Geschmack am Regieren gefunden – oder genauer: am Bürgermeister-Sein. Als Nachfolger werden schon die ersten Kandidatennamen geflüstert, darunter wundersamerweise diejenigen, die den Bürgermeister zu Fall gebracht haben und jetzt Kalif anstelle des Kalifen werden wollen.
Und nun passiert etwas Erstaunliches: All diese Kandidaten frequentieren plötzlich regelmäßig in den Bars von Grado. Si fanno vedere, sie lassen sich sehen, plaudern hier und da, halten sich natürlich noch bedeckt, aber loten schon mal Allianzen aus und überlegen, welchen Familien sie welche Gefallen tun könnten, um ein paar Dutzend Stimmen mehr zu bekommen.
Das Museum der Unterwasser-Archäologie direkt an der Uferpromenade soll eröffnen. Jetzt aber wirklich und nach vierzig Jahren Planungs- und Bauzeit. Und zwar zu Ostern 2024. Dann können wir endlich die »Julia Felix« besichtigen, ein römisches Schiff aus dem dritten Jahrhundert, das 1987 mitsamt 500 Amphoren geborgen wurde. Ich wollte mich kostenlos für eine Woche als Kartenabreißer zur Verfügung stellen, falls der Termin tatsächlich eingehalten wird. Aber dann fiel mir ein, dass der Zutritt wahrscheinlich mit einem raffinierten Computersystem samt QR-Code geregelt werden soll. Das allerdings wird dann Monate nicht funktionieren, woraufhin improvisiert werden muss – also komme doch wieder ich als Kartenabreißer ins Spiel. Wir sehen uns dort! (Vielleicht.)
Stefan Maiwald