Erst schön langsam wird das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar, die die schweren Unwetter der vergangenen Tage in Norditalien hinterlassen haben. Hagel und Sturm deckten dort ebenso wie in Kärnten Dächer ab, zerstörten Fahrzeuge und richteten enormen Schaden in der Landwirtschaft an. Besonders tragisch: In Bibione wird seit dem heftigen Unwetter am Montag ein Badegast vermisst.
Wie "Il Gazzettino" berichtet, sahen Rettungsschwimmer, wie der Mann versuchte, zu einem Schlauchboot zu gelangen. Da er bereits weit abgetrieben war, fuhren sie mit ihrem Rettungsboot zur Stelle im Meer – doch vom Mann fehlte jegliche Spur. Später wurden lediglich zwei Rucksäcke von ihm beim Lido del Sole gefunden.
Um die von den Unwettern schwer betroffene Bevölkerung zu unterstützen, hat die Region Friaul-Julisch Venetien als Sofortmaßnahme 50 Millionen Euro freigemacht. Besonders dramatisch wirkte sich der großflächige Hagel aus. In einem Umkreis von mehr als 50 Kilometern hat es gehagelt, in Pordenone wurde ein Hagelbrocken mit einem Durchmesser von 19 Zentimetern gefunden – das ist neuer Europarekord.
"Je nach Lage reichen die Schäden bei den Bauern bei 10 bis 80 Prozent. Bei einem meiner Kollegen war ein Hopfenfeld gleich ganz zerhagelt. Die großen Hagelkörner in Kombination mit dem heftigen Wind haben für großen Schaden gesorgt", sagte Fabio D'Attimis, Weinbauer und Referent der Jungen Landwirte beim Landwirtschaftsverband Friaul-Julisch Venetien. Bei der Maisernte wird der Ausfall auf 70 bis 80 Prozent geschätzt. Im Weinanbaugebiet Collio nahe der slowenischen Grenze war Oslavia am meisten betroffen. Dort wurden rund 30 Prozent der heurigen Weinernte vernichtet.
Halbes Dorf kaputt
Besonders schwer getroffen hat es das 4800 Einwohner zählende Mortegliano, das 40 Kilometer nördlich von Lignano liegt. Fenster barsten, rund 200 Autos sind ein Totalschaden, fast alle Hausdächer in der Gemeinde sind zumindest teilweise abgedeckt, darunter auch jenes einer Schule und des Seniorenheimes. 90 Senioren mussten umgesiedelt werden. Rund 200 Autos sind aufgrund des Hagels ein Totalschaden. Im Gebiet von Gorizia wurden Ställe kaputt und Futtermittel nass und ungenießbar, Tiere schreien dort wegen Hungers, wird berichtet.
Meteorologe liefert Erklärung
Eine Ursache für die schweren Unwetter sei die aufgeheizte feuchte Luft, die auf kühlere und trockenere Luft aus dem Alpenraum treffe, erklärte Marcellino Salvador von der meteorologischen Anstalt Friauls "Arpa" der Ra. Dadurch würden Korridore entstehen, in denen der Wind hohe Geschwindigkeiten erreichen könne: "Solche Winde können Hagelkörner von mehr als zehn Zentimetern Durchmesser nähren. Das Auftreten von nur einem dieser beiden Wetterphänomene ist schon selten. Dass beide innerhalb von nur zwei, drei Stunden auftreten, ist in unseren Breiten eine echte Rarität. Auch wenn wir uns gerade in der wärmsten Jahreszeit befinden, so waren die Temperaturen in den vergangenen Tagen doch etwas höher als im Durchschnitt. Dadurch hat die Luft in den unteren Schichten mehr Energie. Das Mittelmeer bei uns hat im Jahresmittel bereits zwischen ein und zwei Grad mehr als sonst. Dadurch verdampft mehr Flüssigkeit. Und wenn dann von Westen oder Südwesten Wind kommt, kann das so heftige Unwetter verursachen, wie jetzt. Das wird im Zuge der Erderwärmung tendenziell öfter passieren in Zukunft."
Bis Mittwoch um Mitternacht bleibt die Unwetterwarnung der Behörden von Friaul-Julisch Venetien noch aufrecht. Mittwoch am Nachmittag zog erneut ein Unwetter über Mortegliano auf. Diesmal waren die Hagelkörner kleiner. Aber es regnete stark weshalb es zusätzlich Vermurungsschäden gab.