Schreckliche Szenen spielten sich am Donnerstagnachmittag im 2500 Einwohner großen Dorf Santo Stefano di Cadore ab. Das Dorf liegt in der Provinz Belluno in Venetien und befindet sich rund 50 Kilometer südöstlich von Sillian in Osttirol.
Gegen 16 Uhr fuhr eine 31 Jahre alte, aus einem Dorf in Bayern stammende, arbeitslose Deutsche von hinten mit einem geliehenen Audi in eine aus Venedig stammende Urlauberfamilie, als diese gerade auf dem Gehsteig einen Nachmittagsspaziergang machte. Das Fahrzeug soll laut ersten Erkenntnissen der Carabinieri mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sein. Am Freitag hieß es laut lokalen Medien zuerst, es waren angeblich 160 km/h statt der dort erlaubten 50. Die Staatsanwaltschaft sagte später, es waren zumindest 100 km/h. Genaueres werden erst weitere Untersuchungen zeigen. Eine auf einem Gebäude angebrachte Videoüberwachungskamera filmte das vorbeifahrende Auto und zeichnete auch Sekunden später den lauten Knall vom Aufprall des Wagens auf. Es gab keine Bremsspuren, wie die italienische Tageszeitung "La Nuova di Venezia" berichtet. Die Autofahrerin soll mit mehr als 70 km/h auf die Familie geprallt sein.
Laut Zeugen soll der schwarze Audi zuerst den Großvater und die Mutter des zwei Jahre alten Kindes gestreift haben. Vor den Augen der Leichtverletzten stieß der Wagen dann nur ein paar Meter weiter in den 48 Jahre alten Familienvater, seine 64 Jahre alte Schwiegermutter und das zwei Jahre alte Kleinkind, das der Vater im Kinderwagen geschoben hatte. Der Mann und seine Schwiegermutter wurden vom Auto 30 Meter weit mitgeschleift, das Kind im Kinderwagen zehn Meter. Die beiden Erwachsenen waren auf der Stelle tot.
Kind verstarb im Krankenhaus
Die zum Unglücksort gelaufenen Helfer, darunter ein Carabiniere, der ums Eck wohnt, stellten erst noch Lebenszeichen bei dem Kind fest. Der Hubschrauber wurde zum Noteinsatz gerufen, doch der Zweijährige verstarb im Krankenhaus.
Nach dem Zusammenstoß mit der Familie krachte der Wagen in einen Laternenmast, woraufhin das rechte Rad abbrach. Danach prallte das Fahrzeug gegen einen Holzverbau, wurde auf die Straße zurückgeschleudert und kam dann auf der Fahrbahn in entgegengesetzter Fahrtrichtung zum Stehen. Die Autolenkerin wurde leicht verletzt ins Krankenhaus gebracht, vor allem aber auch, um festzustellen, ob sie betrunken war oder unter dem Einfluss von Drogen stand. Bereits am Samstag stand fest, dass die Frau weder alkoholisiert war, noch wurden Spuren eines Drogenkonsums gefunden.
Bis zu 18 Jahre Haft
Auch das Handy wurde beschlagnahmt, um festzustellen, ob die Fahrerin durch das Mobiltelefon abgelenkt war. Gleich nach dem Krankenhausbesuch wurde die Frau unter Arrest gestellt. Ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe wegen Mordes im Straßenverkehr. Die Strafdrohung kann mit diversen erschwerenden Umständen bis zu 18 Jahre Haft ausgedehnt werden, ohne sind es zwischen zwei und sieben Jahren. Bei mehreren Todesopfern kann die Strafe pro Opfer angesetzt werden. Dass die Deutsche gleich in Haft genommen wurde und es wohl auch bleiben wird, ist der Fluchtgefahr geschuldet. Laut der staatlichen italienischen Rundfunkanstalt Rai Veneto sagten die Carabinieri, die die Befragung der Lenkerin durchführten, sie sei sehr teilnahmslos gewesen und habe keine Reue gezeigt. Da im Auto eine Decke und Essensreste gefunden wurden, gehe man davon aus, sie habe während ihrer Ferien im Auto genächtigt. Ein ebenfalls im Fahrzeug gefundener Hammer leitet weitere Ermittlungen ein. Außerdem meldete sich ein Zeuge, er habe einen Streit beobachtet. Die Frau sei wütend in ihr Auto gestiegen. Kurz vor dem Unfall. Es kann laut den Ermittlern nicht ausgeschlossen werden, dass die Bayerin absichtlich in die Familie gefahren ist.
Radfahrer starb nach Kollision mit Lkw
Erst im Herbst vorigen Jahres überfuhr ein deutscher Lkw-Fahrer mutmaßlich einen italienischen Radrennprofi in einem Kreisverkehr in Venetien. Der Mann verstarb an der Unfallstelle, der Lkw-Fahrer kehrte mit dem Unfallfahrzeug nach Deutschland zurück. Erst jetzt im Sommer wird der in Italien wegen Mordes im Straßenverkehr samt unterlassener Hilfeleistung und Fahrerflucht angeklagte Mann, der nicht zum Prozess nach Italien reisen wollte, nach Monaten der Streiterei mit den deutschen Behörden an Italien ausgeliefert.