Renzo steht vor dem Milchtank der Caseificio di Roncade. Es ist Sonntag und der charmante Geschäftsmann nimmt sich Zeit, um zu erzählen. Vom Vater, der die Molkerei gegründet hat, von seinen Söhnen, die in seine Fußstapfen traten. Der köstliche, weiche Casatella ist der erste Gruß aus der Käse-Küche, er zerfließt auf der Zunge. Der Mozzarella kommt als nächstes, gefolgt von einem Formaggio con Radicchio, Spezialität der Region.
Wir sind im italienischen Veneto, südöstlich von Treviso, zwischen den Bergen und dem Meer. Hier ist es weniger windig und wärmer als im Norden, aber noch nicht zu heiß. Der spritzige Prosecco ist das Aushängeschild der Region, er begleitet auch dieses Mahl.
Dem Sprudeln auf der Spur
Gleich nebenan steht das Castello di Roncade, beeindruckendes Zeugnis venezianisch geprägter Vergangenheit. Sommelière Pia weist uns den Weg durch die Weine in dessen Keller. Prosecco DOCG (kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung) gibt es nur zwischen Valdobbiadene und Conegliano sowie rund um Asolo. Wir lernen, zu unterscheiden – zwischen stillem Prosecco (ohne Kohlensäure), Perlwein, dem Kohlensäure zugesetzt wird („Prosecco Frizzante“) und Schaumwein („Prosecco Spumante“), bei dem die Kohlensäure durch die Gärung in der Flasche oder im Tank entsteht.
Wir sind gekommen, um zu kosten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, ohne die Mission, den „Besten“ zu küren: Im noblen Bortolomiol erklärt uns Diamanthe, wie aus dem stillen Prosecco nach der zweiten Gärung der Spumante wird, mit der für ihn typischen Perlage im Glas. Basis (mindestens 85 Prozent) ist die lokale Traube Glera. Und wir erfahren, dass die beste Qualität, der Cartizze, nur rund um den gleichnamigen Hügel östlich von Valdobbiadene gekeltert wird.
Und dann stehen wir auch schon auf genau diesem Hügel, mit weitem Blick ins Land: Bänke und Tische verteilen sich zwischen den Reben, Wein und Speck holt man sich in der „Senz’Oste“, dem „Gasthaus ohne Wirt“, in Selbstbedienung. Am Wochenende wird die Idylle von Einheimischen gestürmt. Unter der Woche ist es das Paradies auf Erden.
"Extra Dry" ist nicht ganz trocken
Im Familien-Biobetrieb Bresolin im DOCG-Gebiet rund um Asolo beschreibt uns Enrico den Prosecco-Bogen, der sich von Extra Brut (kaum Restzucker), Brut und Extra Dry (da sind es schon 16 Gramm Restzucker) bis hin zu den Süßweinen spannt. Eine Besonderheit hier ist die Flaschengärung – stellt man die Flasche vor dem Einschenken kurz auf den Kopf, verteilt sich die Hefe im Glas und verleiht dem Prosecco eine spannende Brot-Note.
De Prosecco Straße führt durch romantische Dörfer und bezaubernde Städte. Auf dem Weg dorthin empfiehlt sich ein Halt in der Proschiutteria Il Camarin in San Daniele, wo uns Sergio in die Geheimnisse seines Schinkens einweiht. Meersalz aus Sizilien – nichts sonst lässt Sergio in keltischer Tradition an sein Fleisch heran.
Die Schönheit des Tagliamento-Kiesel
Sehenswert ist auch die Mosaikschule in Spilimbergo, wo man lernt, wie aus dem Kiesel des Tagliamento über die Jahrhunderte all die wunderschönen Mosaike entstanden – eben zuvor noch bestaunt in Castelfranco, im wasserdurchzogenen Treviso, in Bassano del Grappa. Drei Jahre lang dauert die Ausbildung. Wir dürfen durch die Klassen wandern und bestaunen, welche herrlich-bunten Kunstwerke aus dem Kiesel entstehen.
Nahe der Brücke über die Brenta in Bassano del Grappa ein letztes gemeinsames Anstoßen - nach dem Besuch des Grappa-Museums - mit einem Glas Hochprozentigem. Schnaps und Schaumwein begleiten uns nach Hause. Mit dem Auftrag, den Geschmack des Veneto zu konservieren.
Claudia Gigler