Es waren Bilder des Grauens, die Italien und die Welt erschütterten. Der ehemalige Ministerpräsident und Vorsitzende der Christdemokraten (Democrazia Cristiana), Aldo Moro, war am 16. März 1978 von Terroristen der linksradikalen Roten Brigaden (Brigate Rosse) entführt worden. Die Tat war von besonderer Brutalität gekennzeichnet. Fünf seiner Leibwächter wurden bei dem Angriff erschossen, der Politiker an einen geheimen Ort gebracht und dort festgehalten. Es folgten Forderungen der Terroristen nach der Freilassung politischer Gefangener. Moro wurde mit Tageszeitungen als Lebensbeweis vor den Bannern der Roten Brigaden abgelichtet, Medien berichteten erstmals praktisch rund um die Uhr live. Selbst Papst Paul VI, ein enger Freund des tief gläubigen Entführten, bemühte sich heimlich um Verhandlungen. Diese hatte die Regierung zuvor ausgeschlossen, um Härte zu demonstrieren.
Hinter den Kulissen war sich die politische Führung freilich nicht so einig, zumal sich Aldo Moro selbst in Briefen an die Minister, den Papst und seine Verwandten wendete und zu Verhandlungen aufrief. Die polizeilichen Ermittlungen gerieten immer mehr ins Stocken, doch die Regierung weigerte sich einzulenken und forderte weiter Moros bedingungslose Freilassung – auch, als die Roten Brigaden offen mit der Tötung des Gefangenen drohten.
Acht lange Wochen bangte Italien in diesem Frühjahr um das Leben eines der wichtigsten Politiker des Landes. Vergebens. Am 9. Mai wurde seine Leiche im Kofferraum eines Autos in der Via Caetani, genau zwischen den Parteizentralen der Kommunistischen Partei und der Democrazia Cristiana, gefunden. Er war mit acht Schüssen hingerichtet worden.
Den Kampf um das Schicksal Aldo Moros und die Stimmung in Italien zu jener Zeit wiederzugeben, hat sich der preisgekrönte Filmemacher Marco Bellocchio zur Aufgabe gemacht. Als Regisseur und Co-Drehbuchautor nimmt er sich in der sechsteiligen Serie "Und draußen die Nacht" jener Monate an, die Österreichs Nachbarland über Jahrzehnte prägen sollten. Arte strahlt die Serie am 15. März (ab 21.55 Uhr) und 16. März (ab 22.30 Uhr) in zwei Blöcken aus.
Für Bellocchio ist die Auseinandersetzung mit dem Fall Moro kein Neuland. Bereits 2003 hat er die Geschichte im Film "Buongiorno, notte" erzählt – von innen heraus, an jenem geheimen Ort, wo der Politiker von seinen Entführern festgehalten wurde. Was sich draußen abspielte, war hauptsächlich in Fernsehbildern zu sehen. Im neuen Werk geht es um das fieberhafte Treiben in Rom. "Die Kamera hält auf Geschichten und Personen, die zu erforschen mir interessant erschienen: die Panik und anschließende Handlungsunfähigkeit der Regierungsmitglieder, die Ratlosigkeit von Papst Paul VI., die Spannungen unter den Terroristen und die Sicht der Familie von Aldo Moro", erklärt der Filmemacher. Er nimmt sich in seiner Erzählung der Geschehnisse künstlerische Freiheit, Fiktion trifft auf Geschichte. Die historischen Fakten geben der beklemmenden Erzählung dabei Struktur.
Bis heute ist der "Fall Moro" nicht vollständig aufgeklärt. Trotz mehrerer Prozesse und Untersuchungsausschüsse ranken sich Mythen und Verschwörungstheorien um die Geschehnisse im Frühling 1978. Die Involvierung in- und ausländischer Geheimdienste – von CIA bis KGB – sowie einer Freimaurer-Gruppierung stehen im Kern der Spekulationen. Von weltpolitischem Interesse waren die Ideen des konservativen Politikers allemal: Moro setzte sich für den "Historischen Kompromiss" – einen möglichst breiten Konsens innerhalb der demokratischen Institutionen unter Einbezug der kommunistischen Partei – ein. Dieses Engagement, das eine weitere Radikalisierung der Lager verhindern sollte, machte ihn zur Zielscheibe.
Für den ermordeten Politiker findet Regisseur Bellocchio, der sich noch lebhaft an die Zeit der Entführung erinnern kann, nur gute Worte: "Moro war ein fleißiger, bescheidener Mann. Ein Reformer, der nicht auf Knalleffekte aus war. Dennoch hatte er die mutige Idee, die Kommunistische Partei an der Regierung zu beteiligen, als es dafür kaum Unterstützung gab. Er hat versucht, das bestehende Gleichgewicht zu verändern – und dafür am Ende mit seinem Leben bezahlt."