Alarmstufe Rot im Tower des Flughafens Klagenfurt: Die militärische Luftraumüberwachung "Goldhaube" hat ein unbekanntes Flugzeug erfasst, das Kärntens Grenze ansteuert. Über das Ziel des Piloten herrscht Rätselraten, Funkkontakt kann nicht hergestellt werden. Zwei Abfangjäger des österreichischen Bundesheeres steigen in Linz auf und düsen in Richtung Grenze. Aber das unbekannte Flugzeug ist bereits in den österreichischen Luftraum eingedrungen. Nur drei Minuten später landet es am Flughafen in Klagenfurt. Unlackiert, silberglänzend, nur die Spitze ist in dunkles Militär-Grün getaucht. An der Heckflosse klebt eine blau-weiß-rote Flagge, in deren Mitte prangt ein roter Stern mit goldener Umrandung und auf den Tragflächen steht die taktische Nummer 112. Es handelt sich um einen einstrahligen Abfangjäger sowjetischer Bauart, bekannt als "Mikojan-Gurewitsch MiG-21R" im Dienst der jugoslawischen Volksarmee. Das alles geschah am Freitagvormittag des 25. Oktober 1991.
Krieg in Europa
Zu diesem Zeitpunkt herrschte Krieg in Europa, noch näher an Kärntens Grenzen als der aktuelle in der Ukraine. Kroatien hatte im Mai dieses Jahres seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärt und erlebte gerade seine ersten großen Kampfhandlungen. Die Lage war angespannt, das österreichische Bundesheer blickte in stetiger Alarmbereitschaft zu den Nachbarn am Balkan.
Soldaten, Polizisten und Männer des Heeresnachrichtendienstes waren bereits vor der Landung der MiG am Flughafen eingetroffen. Nun warteten sie, mit ihren Waffen im Anschlag, die Mündungen auf den Düsenjäger gerichtet. Es dauerte nicht lange, das Cockpit öffnete sich und der Pilot kletterte aus der Kanzel runter auf das Rollfeld des kleinen zivilen Flughafens in Klagenfurt. Der Mann legte seine Pistole und ein Maschinengewehr nieder, hob seine Arme weit nach oben und erklärte in gebrochenem Englisch: "Ich bin Kroate in der jugoslawischen Volksarmee und will nicht gegen Kroaten schießen." Der Pilot war Rudolf Perešin, er wurde damit ein Nationalheld Kroatiens.
Dreharbeiten in Klagenfurt
Diese dramatischen Minuten werden der Ausgangspunkt eines Dokumentarfilms. Der kroatische Filmemacher Arsen Oremović beleuchtet darin die Entstehung der Luftwaffe seiner Heimat und filmte dafür Anfang November in Klagenfurt. "Perešins Flucht und der moralische Akt, den er damit gesetzt hat, haben noch heute große Bedeutung in Kroatien. Überraschend für mich war, dass 31 Jahre später seine Landung auch in Österreich noch Legenden-Status hat." Mit den aktuell gedrehten Bildern aus Klagenfurt startet Oremovićs Doku: "Diese Szenen kombiniere ich mit Archivaufnahmen, in denen Perešin beschreibt, wie ihm die Idee kam, Kärnten anzusteuern, wie er die Flucht unter dem Radar der jugoslawischen Flugabwehr geplant und die Landung in Klagenfurt durchgeführt hat."
Geburt kroatischer Luftwaffe
Im Frühjahr 2023 soll die Produktion im kroatischen Fernsehen ausgestrahlt werden. "Ich war immer fasziniert von der Geburt der kroatischen Luftwaffe, die buchstäblich aus dem Nichts entstanden ist. In Kroatien befassen wir uns viel mit der Kriegsvergangenheit, aber das wird der erste Dokumentarfilm über diesen Teil der Geschichte", sagt Arsen Oremović. Perešin war der erste Militärpilot, der aus der jugoslawischen Armee desertierte und er baute danach die kroatische Luftwaffe auf. "Zu Beginn hauptsächlich mit landwirtschaftlichen Propellermaschinen, aus denen sie Gasflaschen und handgefertigte Minen abwarfen, oder humanitäre Hilfseinsätze flogen. Erbeutete MiGs kamen erst später dazu", erzählt Oremović.
MiG landete im Museum in Zeltweg
Der Jäger, mit dem Perešin in Klagenfurt landete, blieb allerdings in Österreich. Wo er zunächst in einem Hangar am Flughafen Klagenfurt abgestellt und später in einem Museum in Zeltweg ausgestellt wurde. Die Besitzverhältnisse waren lange nicht geklärt, erst 2019 wurde der Kampfjet in Einzelteilen von Zeltweg nach Zagreb überstellt. Die Rückkehr erlebte der Luftwaffenkapitän nicht mehr, denn im Mai 1995 wurde sein Flugzeug bei der Militäroperation "Bljesak" (Deutsch: Blitz) von einer Abwehrrakete getroffen. "Perešin rettete sich zwar mit dem Schleudersitz, kam aber in Gefangenschaft", erzählt der Regisseur. Im August 1997 wurde sein Leichnam bei einem Gefangenenaustausch übergeben. Die genaue Todesursache wurde nie öffentlich bekannt. Am 15. September 1997 wurde Perešin in Zagreb mit den höchsten Staatsehren bestattet, die kroatische Luftwaffenakademie ist heute nach ihm benannt.