Behutsam fasst Cristina Nonino prüfend eine Handvoll heißen Trester aus dem Röster. Es duftet nach ofenwarmen Kastanien, Mandeln, Glühwein und Gugelhupf. „Mmmhhmmm“, kommentiert sie zufrieden die Qualität und erklärt: „Die Fermentierung der frischen Trauben erfolgt bei uns ganz kurz. Nur 24 Stunden. Das ist fundamental für den reinen Geschmack des Grappas.“ Es zischt und dampft, als der Brennmeister die Leitung in die Kondensatoren öffnet. „Das ist der schönste Moment“, schwärmt sie. „Die Destillation muss jetzt ganz langsam erfolgen.“ Jeweils zwei Stunden lang bei jedem der fast 100 holzverkleideten Kupferkessel in der mächtigen Halle.

© Nonino

„Qualität steht über allem“, bekräftigen Cristina, Antonella und Elisabetta Nonino unisono das besondere Brennverfahren aus erlesenen Grundstoffen. „Die Trauben sind das erste Kriterium. Der Trester ist sehr delikat.“ Die drei Nonino-Schwestern führen in Percoto nahe Udine die mit zig Preisen bedachte Brennerei. Das Branchenmagazin „The Wine Enthusiast“ kürte Nonino 2019 sogar zur „besten Brennerei der Welt“.

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Benito Noninos Vermächtnis

Als vor wenigen Monaten im Alter von 90 Jahren der Vater starb, war die Trauer nicht nur in der Familie groß, sondern in der gesamten Branche und weit darüber hinaus. Benito Nonino hatte vor 50 Jahren die Grappa-Herstellung revolutioniert, indem er als Erster sortenreinen Grappa brannte: Monovitigno Nonino aus Trauben der autochthonen friulanischen Rebsorte Picolit.

War der Tresterschnaps in Vorzeiten gemeinhin verächtlich als Fusel aus Weinabfall angesehen, so gelang es Benito Nonino, den Grappa zum hochqualitativen Destillat bis in den Rang eines Grappa Cru zu entwickeln, der zur Speisekultur gehört wie zum Abgang des Espresso. „Unser Vater war ein Visionär, alle vermissen ihn sehr, vor allem unsere Mamma Gianella, die 70 Jahre mit ihm in Amore verbunden war. Sie ist die große Kommunikatorin“, erzählen die Nonino-Chefinnen über ihre mit 87 Jahren noch rüstige Mutter. 

2620 Eichenfässer

Auf die Grappa-Revolution folgten weitere sortenreine Destillate von Ribolla Gialla, Malvasija und Muskat bis Prosecco. Eine spektakuläre Allee von der Brennerei entfernt, im Borgo Nonino in Persereano, lagern sie in 2620 Eichenfässern. Daneben wird gerade ein neuer Lagerraum für 1500 Fässer gebaut. „Die 40 Hektar eigene Weinbaufläche reichen bei Weitem nicht aus für unsere Jahresproduktion aus 45.000 Quintale Trauben“, rechnet Cristina Nonino noch in der traditionellen italienischen 100-Kilo-Einheit. Gebrannt wird rund um die Uhr während nur eineinhalb Monaten zur Zeit der Traubenlese im Herbst.

Cocktails

Im Lauf der Jahre kamen zahlreiche Innovationen hinzu, vom Bitterlikör Amaro Nonino bis zum Aperitivo Nonino Botanical Drink, der aktuell als Cocktail Furore macht. „Die Trinkgewohnheiten ändern sich vor allem bei den jungen Leuten. Und mit den natürlichen Inhaltsstoffen entsprechen wir unserer Slowfood-Philosophie, die unsere Mamma schon zehn Jahre vor Slowfood-Gründer Carlo Petrini erfunden hat.“

Mamma Gianella Nonino trägt als eine von wenigen Frauen Italiens die Auszeichnung als Cavaliere del Lavoro. Sie und ihr Mann haben selbst eine hohe Auszeichnung erfunden. Den Premio Nonino, ursprünglich für die Erhaltung alter Rebsorten, dann auch für Literatur und Wissenschaft, der im Jänner 2025 zum 50. Mal vergeben wird.

Nobelpreisträger

Eine hochkarätige Jury mit Autor Claudio Magris und anderen Geistesgrößen hat bisher bereits sechs Mal Preisträger gekürt, die später den Friedens-, Literatur- oder Physik-Nobelpreis erhielten: Rigoberta Menchù, V.S. Naipaul, Tomas Tranströmer, Mo Yan, Peter Higgs, Giorgio Parisi. All dies kann man repräsentativ aufbereitet als Gast im Borgo Nonino erfahren, wo es auch elegant-heimelige Suiten zum Übernachten gibt, mit zwei Feiersälen, in denen auch ein erwärmender friulanischer Fogolar von der gediegenen Pflege alten Kulturgutes zeugt.