Wie im Wasser treibend, schwebt die Nixe mit riesiger silbrigblau schimmernder Fischflosse hoch oben im Raum und verwandelt so die Bühne in eine Unterwasserwelt, in der aber zugleich eine stylische Badegesellschaft ausgelassen den Lidostrand genießt. Harlekine, allegorische Masken, possenreißende Gaukler und durch die Luft wirbelnde Artisten entführen das Publikum mit Täuschung, Tarnung und halsbrecherischer Akrobatik in eine zauberhafte Phantasiewelt. So lässt die Show „Titizé – A Venetian Dream“ die Commedia dell`arte aufleben und mit ihr die Poesie und Mystik des Wunderlabyrinths Venedigs. Pantomime und Akrobatik brauchen keine Übersetzung, Dauerszenenapplaus für Darsteller und Bühneneffekte.
Dabei ist schon das Theater selbst ein bewunderter Star. Im pittoresken Logenrund des Teatro Goldoni erwachen Bilder der bewegten Geschichte des ältesten existierenden Spielhauses Venedigs. 1622 als Teatro Vendramin gegründet, ist es seit 400 Jahren Spiegelbild der venezianischen Gesellschaft und ikonische Bühne des italienischen Lustspiels. Zu besonderer Blütezeit geriet es ab 1752, als Carlo Goldoni die Leitung übernahm.
Aristokratie vorgeführt
Goldoni, ausgebildet als Jurist, schrieb selbst 200 Stücke und revolutionierte die Bühnenwelt, indem er die Commedia dell‘arte mit ihren Possenreißereien zur Charakterkomödie weiterentwickelte. Legendär wurden Goldoni-Interpretationen der berühmten Schauspielerin Eleonora Duse, der Italien heuer zu ihrem Todestag vor 100 Jahren (21. April 1924) unzählige Würdigungen zuteilwerden lässt. Goldoni scheute auch Skandale nicht, wenn er die venezianische Aristokratie sarkastisch vorführte. Seine Komödie „Der Diener zweier Herrn“ wird bis heute in aller Welt gespielt.
Dem 400-Jahr-Jubiläum Rechnung tragend, wurde das Teatro Goldoni nach einem Verfall und auch vorübergehender Schließung von 1957 bis 1979 im Jahr 2023 gründlich renoviert. „Das Teatro Goldoni gehört mit seiner 400-jährigen Geschichte zu den renommiertesten Prosatheatern Italiens und wird erneut zu einem Vorzeigetheater Italiens werden“, sagte zur Wiedereröffnung Giampiero Beltotto, Präsident des Teatro Stabile del Veneto, zu dem auch das Teatro Verdi in Padua und das Teatro Del Monaco in Treviso gehören.
Geheimnisvolles Venedig
Daniele Finzi Pasca, Autor und Regisseur von „Titizé – A Venetian Dream“, lässt es surreal auf die Bühne regnen oder diese mit Wasserspiegelungen kippen und lässt im Schleier der Dämmerung Masken fallen. Mit dem überlieferten Zauber von Magiern und Schamanen schafft er die Atmosphäre eines geheimnisvollen Venedig, in dem zu Tanz und Akrobatik, Musik und Monsterschreien plötzlich fliegende Elefanten und Nashörner auftauchen – eine „Terra Non Ferma“, der Komponistin Maria Bonzanigo die Stimme des Countertenors der Serenissima-Ära verleiht, mit Klängen unter und über Wasser. Set-Designer Hugo Gargulio schafft mit Masken, Schattenspiel und Nebel ein ebenso träumerisches wie von der Flut traumatisiertes Venedig. Die Akrobaten der Compania Finzi Pasca bringen Alt und Jung zum Staunen und zu Ovationen.
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Adolf Winkler