Es hätte alles so schön sein können – für Italien, Österreich oder Deutschland. Auf dem Hauptplatz von Grado war eine gewaltige Leinwand aufgebaut, Hunderte versammelten sich für die EM-Fußballspiele davor. Nicht auszudenken, wenn eine der drei oben genannten Mannschaften es ins Finale geschafft hätte!
Doch das frühe Ausscheiden der Italiener hatte auch einen Nebeneffekt: Denn plötzlich wurden, selbst in der rosafarbenen Fußballbibel „Gazzetta dello Sport“, andere Sportarten wichtig, zuerst Tennis (Lorenzo Musetti schaffte es sensationell ins Wimbledon-Halbfinale, Jasmine Paolini gar ins Finale), und weil die Fernseher nun mal überall standen, wurde halt Tennis gezeigt.
Jetzt also Olympische Spiele. Die Prognosen für die Italiener sehen günstig aus, sie werden im Medaillenspiegel weit vorn landen, was der Volksseele nur gut tut. Aus Grado ist kein Sportler dabei, obwohl der Ort traditionell eine Hochburg der Ruderer ist; die starke Irene Bellan hat die Qualifikation im Vierer ganz knapp verpasst.
Aber Fußball bleibt eben doch Fußball, und Grado war letzte Woche Mittelpunkt der italienischen Fußballwelt. Denn die beliebte Sky-Show „Calciomercato“ sendete jeden Abend ab 23 Uhr live vom Kirchplatz. Eine Expertenrunde – darunter Walter Zenga, Nationaltorwart bei der WM 1990 – redete über den „Calciomercato“, also den An- und Verkauf von Spielern und Trainern und was das für die taktischen Formationen der Mannschaften bedeuten könnte. Es ist ein hochspekulatives, beinahe sinnfreies Gebrabbel, aber Italiener mögen das, weil man jeden Spielertransfer mit kleinen und großen Verschwörungstheorien würzen kann. Ein Beispiel: Riccardo Calafiori, der einzige EM-Lichtblick der Italiener, sollte eigentlich von Bologna zu Juve wechseln, aber weil der Bologna-Boss sauer auf seinen Ex-Trainer Thiago Motta sei, der trotz Zusage, bei Bologna zu bleiben, ebenfalls zu Juve wechselt, habe er angeblich gesagt: Calafiori kriegt ihr nur über meine Leiche, und nun sieht es so aus, als wechsle Calafiori zu Arsenal London. Ich schaue die Show zuhause, weil man dabei gut einschläft.
Bleiben wir weiter beim Sport, obwohl bei den derzeitigen Temperaturen eigentlich nur die Position in der Horizontalen vernünftig ist, auf dem Sofa in der gekühlten Wohnung oder unterm Sonnenschirm am Strand. Was ist denn jetzt mit den beiden Padelplätzen, die einen der Tennisplätze bei den Ville Bianchi ersetzen sollten? Tja, es hat sich ausgepadelt. Obwohl die Baustelle schon eingerichtet war. Erstens war es ohnehin eine merkwürdige Idee der Strandverwaltung, einen Tennisplatz ausgerechnet im größten Tennisboom, den Italien in seiner Geschichte erlebt, zu killen. Zweitens gefiel den umliegenden Hotels die Idee zweier Padelplätze gar nicht, denn Padel gilt als Lärmsportart, es scheppert ordentlich, und bei acht Spielern zugleich wäre es hoch her gegangen. Die Hoteliers legten ihr Veto ein und beriefen sich aufs geltende Gesetz, und damit hatte sich das Vorhaben erledigt.
Gut, dass in Grado genügend andere Sportarten zur Auswahl stehen, und wer unbedingt Krach machen will, findet einen Padelplatz im Tennisclub, fernab der Hotels.
Stefan Maiwald