Die Ärztetage haben begonnen, und ich fühle mich auf unserer kleinen Lieblingsinsel gleich noch ein wenig sicherer – denn ganz egal, ob du dich verschluckst, auf dem Gehsteig stolperst oder dir sonstwie blümerant wird: Sofort beugt sich ein halbes Dutzend Fachleute über dich.
Warum Grado überhaupt so sicher ist (es gibt kaum Kriminaldelikte wie Wohnungseinbrüche oder gar Raubüberfälle)? Mein Kumpel, der bei den Carabinieri ist, hat es mir erklärt: Für professionelle Diebesbanden sind Fluchtwege entscheidend; je mehr, desto besser. Und da hat Grado mit seinem Deich aus Ganovensicht verflixt wenig zu bieten. Dazu kommt die soziale Kontrolle: Auf der Insel kennt wirklich jeder jeden, und ein komisch geparktes Auto oder eine fremde Gestalt in einem vertrauten Hauseingang fällt schneller auf als in einer großen Stadt. Diese soziale Kontrolle – und das ist noch eine Besonderheit Grados – ist auch in der Nacht aktiv, wenn die Fischer zu ihren Booten am Hafen gehen oder von ihnen heimkommen.
Einsatzzug der Feuerwehr
Und wo wir bei der Sicherheit sind: Wie berichtet, wird ein Einsatzzug der Feuerwehr im Juli und August permanent in Grado vor Ort sein. Nun fordern die hiesigen Politiker eine ganzjährig besetzte Kaserne. Und: Es wird 2025 in Grado das Welttreffen der Feuerwehren geben! Feuerwehren aus Dutzenden Nationen wollen ihr Können zeigen – wie genau wir uns das vorzustellen haben, weiß ich aber auch nicht. Gibt es ein Wettlöschen kniffliger Großbrände?
Die Hüllen sind gefallen! Am Strand sowieso, aber das Hotel Adria, einst das erste Haus am Platz, hat sich des Baugerüsts entledigt. Bis zur Neueröffnung wird es aber noch dauern, die Fenster sind nach wie vor vernagelt. Die Saison 2024 dürfte damit gelaufen sein. Aber für 2025, wenn unsere Provinzhauptstadt Gorizia europäische Kulturhauptstadt wird, reiben sich Grados Hoteliers die Hände. Denn Gorizia hat wenig Hotels zu bieten, da werden es sich viele Gäste nicht nehmen lassen, in Grado zu nächtigen.
Neues Kunstobjekt
Apropos Tag und Nacht: In der Lagune von Grado können wir ein neues Kunstobjekt bewundern. Auf der Insel Mota Scafon, die auch das Pasolini-Museum beherbergt (hier hat er einige Szenen von »Medea« mit Maria Callas gedreht) wurden zwei Sonnenuhren installiert, die ersten überhaupt in der Lagune. Eine zeigt die sogenannte »venezianische Zeit«, bei der die 24. Stunde mit dem Sonnenuntergang zusammenfällt, und eine zeigt die »habsburgische Zeit« mit der 24 zu Mitternacht, wie es heute üblich ist. Nicht, dass eine Sonnenuhr die Nachtzeit anzeigen kann, aber die Ziffern sind entsprechend angeordnet.
Die venezianische Zeit zeigte an, wann der Tag für die Fischer und Bauern endete – nämlich wenn es kein Tageslicht mehr gab. Moderne Schlafforscher behaupten ja, das wäre gar nicht so schlecht. Aber was gibt es Schöneres als eine Pasta und ein Weißwein in der warmen abendlichen Dunkelheit eines Sommers?
Stefan Maiwald