Offizielle Saisoneröffnung! Seit Pfingstsamstag spannen wir die Schirme auf und drehen die nagelneuen Liegen in Richtung Sonne. Vorsicht, klemmen Sie sich nicht die Finger – lassen Sie sich den Mechanismus der Rückenlehne von einem Bagnino erklären.

Aber wo blieben an jenem sonnigen Traumtag bloß die Gäste? Die standen wahrscheinlich noch vor dem Tauerntunnel im 28-Kilometer-Stau. Am Pfingstsonntag war der Strand dann aber bestens besucht. Jede Wette, dass in den Medien bald vermeintliche Schreckensbilder von überfüllten Adria-Stränden auftauchen, wie es jeden Sommer Ritual ist, aber Italiener wollen es genau so: eng und voller Leben. Die romantische Vorstellung von einsamen Badebuchten, die im deutschsprachigen Raum vorherrscht, existiert in Italien nicht. Italiener wollen am Strand Trubel, Service und eine Bar mit Eis, mit gekühlten Getränken und vernünftiger Siebträgermaschine für guten Kaffee (und insgeheim wollen wir Touristen das doch auch).

Bald werden die Strände gestürmt
Bald werden die Strände gestürmt © Maiwald

Eine Unsitte

Wo wir gerade beim Genuss sind: Am Abend des Pfingstsonntags saß ich in meiner Lieblingspizzeria Delfino Blu etwas außerhalb vom Ortskern, ein österreichischer Vater kam mit seinem etwa zehnjährigen Sohn rein und belegte den Tisch rechts von mir. Beide ließen ihre Handys in der Tasche, was mir schon mal gut gefiel, im Gegensatz zu der sonnenverbrannten österreichischen Kleinfamilie links von mir, deren fünfjähriger Sohn auf dem Handy in voller Lautstärke irgendeinen Kinderquatsch schaute, damit Mami und Papi ihre Ruhe hatten – eine Unsitte, die sich, unabhängig von der Nationalität, immer ärger verbreitet.

Jedenfalls: Der handylose Vater rechts von mir fragte ganz schüchtern nach einer Pizza mit Schinken und Ananas, und die italienische Bedienung reagierte genau so, wie es zu erwarten war. „Sowas machen wir hier nicht“, antwortete sie.

Autor Stefan Maiwald lebt seit vielen Jahren in Italien - und kennt die Regeln dort
Autor Stefan Maiwald lebt seit vielen Jahren in Italien - und kennt die Regeln dort © Stefan Maiwald

Das Phänomen Pizza Ananas

Die Pizza Ananas ist ein kulturelles Phänomen geworden. Alle, die etwas auf sich halten, schimpfen über sie, als sei sie der Gipfel der Barbarei. Dabei ist sie ja nicht viel anders als die seit Jahrzehnten beliebte (wenn auch heute etwas außer Mode geratene) italienische Vorspeise prosciutto e melone, roher Schinken mit Honigmelone. Warum also nicht Pizza Ananas? Weil die Italiener ihre Nationalheiligtümer gern für unantastbar halten. Dabei sind viele der vermeintlich uralten, traditionellen italienischen Gerichte in ihrer heutigen Form allenfalls ein paar Jahrzehnte alt, dazu gehören beispielsweise das Pesto, die Carbonara-Pasta und das Tiramisù. Selbst der Espresso stammt erst aus dem Jahr 1946 und ist damit jünger als Mick Jagger.

In zwei Dingen haben Italiener allerdings uneingeschränkt recht: bitte keinen Parmesankäse über die Spaghetti vongole, und bitte keinen Cappuccino nach dem Abendessen.

Lassen Sie es sich schmecken, mit oder ohne Ananas.