Der Saisonbeginn ist die Zeit des Optimismus und der Vorfreude. Überall wird gefegt, entrümpelt, gestrichen und gehämmert. Blumen werden gepflanzt, Hecken gestutzt, Markisen gereinigt. Hebebühnen werden von brummenden Generatoren empor gehievt, damit Maler die Balkone streichen können. Stühle werden vor die Ladentüren gestellt, erste Boutiquenbesitzerinnen (ein paar gibt es noch) nehmen darauf Platz und warten auf Kundschaft.
Die derzeit größte Baustelle liegt nicht weit von der diga, jener Promenade, die den alten Strand mit dem Hauptstrand verbindet. Dort entstehen zehn neue Luxuswohnungen namens „Royal Residence“, teilweise über 200 Quadratmeter groß. Die Rentner drumherum dürfen nicht fehlen. Im Italienischen gibt es tatsächlich ein Wort für Pensionisten, die Baustellen anstarren: umarell.
Die Bauarbeiter selbst freuen sich übrigens über die Zuschauer, man plaudert miteinander, die Rentner stellen Fragen und erzählen, wie sie es früher gemacht haben, und die Bauarbeiter erklären, welche Arbeitsschritte geplant sind, welches Material sie gerade verwenden etc. Alles ganz entspannt und sehr Italienisch.
Alles andere als entspannt geht es im Wahlkampf zu. Wir erinnern uns: Der Bürgermeister von Grado wurde im Oktober gestürzt, ein Kommissar leitet vorläufig die Amtsgeschäfte, die Neuwahlen finden Anfang Juni statt, und der Kandidat der Linken wartet seit Monaten auf seinen Herausforderer von rechts. Doch die Verhandlungen der Rechtsparteien sind in diesen Tagen endgültig gescheitert, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Nun werden also zwei Kandidaten von rechts antreten, die sich untereinander die Stimmen formidabel wegnehmen werden. Es wird wohl wieder so ausgehen wie 2016, wo in der genau gleichen Konstellation (ein Linker, zwei Rechte) alle drei Bewerber nahezu die gleiche Stimmenanzahl erhielten und am Ende der Linke gegen die beiden Rechten mit einem Vorsprung von einer Handvoll Stimmen gewann.
Auch in Aquileia wird im Juni ein neuer Bürgermeister gewählt, und einer der dortigen Kandidaten hat seine Präsentation im Degustationsraum des Winzers Brojli abgehalten. Das klingt deutlich entspannter als das Hauen und Stechen in Grado.
Neue Rad- und Fußwege entlang der Lagune
Und als Letztes werden noch drei Millionen Euro von der Region an Grado und neun Nachbargemeinden überwiesen – darunter Aquileia, Cervignano und Fiumicello –, um den sanften, nachhaltigen Tourismus zu fördern. So sollen unter der Federführung Grados neue Rad-, Fuß- und sogar Reitwege entlang der Lagune und durchs Hinterland entstehen. Aber vorher möge doch bitte endlich der Radweg an der schmalen Brücke kurz vor Grado angebaut werden, wo es immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt. Das Projekt soll zum Saisonende 2024 starten. So wie es auch schon zum Saisonende 2023 starten sollte.
Stefan Maiwald