Völliges Versagen werfen zwei Italiener den Behörden in einer Aufdeckersendung vor. Die beiden haben am 25. April 2010 die Mutter verloren – zu Hause in Udine erwürgt vom eigenen Vater. „Sie hat sich gewehrt, denn Ermittler sagten, sie sahen auf seinem Rücken überall Kratzspuren. Außerdem hatte sie zwei Wochen davor irgendeine Vorahnung. Sie sagte zu uns, sie wolle weiße Rosen, wenn ihr etwas passieren würde, und sie wolle bei unserer Großmutter in Neapel in Frieden ruhen“, sagten die beiden in der bekannten Investigativsendung „Le Iene“ auf dem landesweiten Berlusconi-Privatfernsehkanal „Italia 1“. Die Tochter war damals 18 Jahre alt und konnte die Schule nicht abschließen, weil sie arbeiten gehen musste, um ihr Leben zu finanzieren. Der Sohn war damals 14 Jahre alt.

Als ihr Vater ins Gefängnis gebracht wurde, mussten sie zu seinen Eltern ziehen. „Die Stimmung war eisig. Die Großeltern machten meiner Mutter Vorwürfe, weil der Vater jetzt inhaftiert sei. Wir wurden finanziell so kurz gehalten, dass wir nicht mal studieren konnten. Es gab vom Staat keine psychologische Hilfe, in den vier oder fünf Jahren schaute auch kein Sozialarbeiter vorbei“, erzählten die mittlerweile erwachsenen Kinder.

Zu Gefängnisbesuch gezwungen

Sie mussten den Vater auch im Gefängnis besuchen. „Er sagte, meine Mutter, die Hure, sei an seinem Schicksal schuld. Es gehe ihr gut, wo sie jetzt sei. Und dann gab er mir eine Ohrfeige und die Justizwachebeamten schauten weg“, so die Tochter. Besonders schlimm sei ein Weihnachten gewesen, als der Inhaftierte wegen guter Führung bei seiner Familie sein konnte. „Er war so betrunken, dass er im Wohnzimmer Sachen auf den Boden schmiss. Er bezeichnete mich als einen Versager“, erinnert sich der Sohn.

Jetzt stehen die mittlerweile erwachsenen Kinder vor einem aktuellen Problem. Im März wird der Mörder, der seinen Kindern auch gedroht hatte, nach 13 Jahren und zehn Monaten Haft entlassen. „Wäre ich so schlecht, wie die Zeitungen schreiben, dass ich sie umbringen will, hätte ich das schon längst gemacht. Ich weiß, wo die Bar ist, die sie eröffnet haben. Das eigene Blut greift man nicht an“, erzählte der Gefangenen den Journalisten von „Le Iene“ noch durch Gitterstäbe getrennt.

Letzter Wunsch der Mutter

Um den letzten Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen, wollten die Kinder die auf einem Friedhof in der Gemeinde Tavagnacco bestatteten sterblichen Reste der Mutter einäschern lassen und die Urne dann nach Neapel bringen. „Dazu hätten wir aber die Erlaubnis unseres Vaters, ihres Ehemannes, gebraucht, da wir als Kinder kein Recht auf ihren Körper haben. Wir sind also vor einem guten Jahr ins Gefängnis gegangen, um ihn um seine Unterschrift auf dem Formular zu bitten. Er unterschreibt aber nicht“, erzählten die Kinder vor dem Grabstein der Mutter auf dem Friedhof in Friaul dem Team des Fernsehsenders.

Der Mörder bestätigte dem Fernsehsender, dass er das Formular nicht unterschrieben hatte und nicht unterschreiben werde. Er sagte im Fernsehen wortwörtlich: „Ich gehe zu meiner Frau, lasse sie exhumieren und nehme sie zu mir. Meine Frau hat mein Schicksal ausgesucht.“

Gesetzeslücke

Dazu befragt meinte die Familienministerin Italiens: „Leider ist das eine Lücke im Gesetz. Wir brauchen weitere Gesetze zum Schutz der Frauen. Wir werden versuchen, diese schnell in Geltung zu bringen“, so Eugenia Roccella, Ministerin für Familie, Geburten und Gleichberechtigung. Der Sohn fordert eine psychiatrische Untersuchung, bevor sein Vater in Freiheit kommt. „Doch das scheint nicht zu passieren“, so der Sohn, der mit seiner Schwester ein Buch über das tragische Schicksal der Mutter geschrieben hat. Es trägt den Titel „Ovunque tu sia“ (Wo immer du auch bist).