Es ist schwierig, Genüsse in Worte zu fassen, die aus Sphären stammen, die mit normaler Küchenkunst nicht zu vergleichen sind. Emanuele Scarellos Kreationen in der Trattoria Agli Amici 1887 sind mehr als Fine Dining, sie sind ein Feuerwerk an kulinarischen Eindrücken, perfekt abgestimmten Texturen und penibel ausgesuchten Zutaten aus der Umgebung, die nur so strotzt von ausgefallenen Nischen-Produkten, wie zum Beispiel friulanischen Erdnüssen.
In den vergangenen Jahren hat die Trattoria, geführt vom Geschwisterpaar Emanuele und Michaela Scarello, eine wundersame Wandlung durchgemacht. 1887 als einfache Trattoria eröffnet, damit sich Freunde auf einen Tajut (einfaches Achterl am Vormittag) treffen können, ist das Restaurant in dem Ort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht wünschen, zum besten Restaurant Friauls mutiert. Hochdekoriert mit zwei Michelin-Sternen, zahlreichen Hauben und überschwänglichen Kritiken.
Bevor es losgeht, wird man im tiefblauen Vorzimmer der Genüsse mit einer erklecklichen Anzahl an essbaren Kunstwerken überrascht, die man, würden sie sich nicht als unverschämt köstlich herausstellen, gar nicht zu kosten wagt. Ein Löfferl Kaviar mit Haselnusscreme, eine Muschel mit Parmesanespuma, ein Kalbskopf-Würferl mit Trüffelüberzug. Jeder Bissen eine Explosion aus unterschiedlichen Aromen.
Im geschmackvoll gestylten Designerrestaurant kauen wir zuerst an einer winzigen Blüte, die sich scharf und prickelnd als „Gaumenputzer“ entpuppt. Perfekter Einstieg für zarte Jakobsmuscheln mit Parmesan und geräuchertem Seetang. Der mit seiner Tinte hübsch lackierte Tintenfisch ist eine Herausforderung - wehe man sticht mit der Gabel beherzt hinein und trägt eine weiße Bluse. In einer Messermuschel finden Tintenfisch-Schmalz, Kakaobohnen und Blüten Platz. Ein cremiger Traum ist das Risotto mit schwarzen Trüffeln, Haselnusscreme und Dorschstückchen. Man würde sich einen ganzen Teller davon wünschen, käme nicht danach eine zarte Winzigkeit von Kalbsbries mit roher istrischer Langustine. In einem knusprigen Bagel verbirgt sich eine Kartoffel aus Godia - dass so ein archaisches Gericht so fein schmecken kann. Das Taubenbrüstchen aus der Toskana wurde mit einer Marsala-Reduktion und Johannisbrot-Miso verziert.
Bei den Desserts fährt das Küchenteam vollends zur Hochform auf. Da gibt es Gersten und Bohnen mit Isabellatrauben auf süß getrimmt, Waldpilze mit Tonka-Schokolade und Milchgranita und eben jene bunt überzogenen Erdnüsse aus Friaul. Der hauseigene Patissier bereitet vor aller Augen auf einem japanischen Takoyaki-Grill einen akkurat geformten Frittolo mit Vanillefüllung zu, der alles an Köstlichem übertrifft. Die Weinkarte ist selbstredend mit allem bestückt, was gut (und auch teuer) ist. Mittlerweile haben die Geschwister Scarello zwei weitere Restaurants eröffnet: eines in Venedig und eines in Rovinj. Das Menü kostet 160 Euro - es gibt auch eine vegetarische Variante.
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Elisabeth Tschernitz-Berger