Auf der Autofahrt zum Meer lassen viele diesen Anblick in Slowenien im wahrsten Sinn des Wortes links linken. Unbemerkt von den meisten Beifahrern (Lenker sollten ja tunlichst auf die Straße schauen) zieht auf der Landstraße zwischen der Autobahnabfahrt Postojna und dem Grenzübergang Rupa die Ruine von Schloss Kalc vorbei. Und das obwohl die historische Stätte optisch förmlich nach Aufmerksamkeit schreit: Wie ein riesiger Zeigefinger ragt der mit roten Dachziegeln recht frisch gedeckte runde Turm aus der grünen Wiese.
Kalc hieß ursprünglich Schloss Steinberg. Die gleichnamige österreichische Adelsfamilie hatte das Gebäude Anfang des 17. Jahrhunderts errichten lassen. Als prominentester Spross des Clans gilt der 1864 im Schloss geborene Franc Anton von Steinberg, dessen berufliche Tätigkeit sich am einfachsten mit der Bezeichnung „Universalgenie“ beschreiben lässt. Der gute Mann war Kartograph, Erfinder, Bergwerksbesitzer und Maler. Noch bekannter ist in Slowenien der Autor Fran Levstik, den ein späterer Schlossbesitzer als Privatlehrer für seine Kinder nach Kalc/Steinberg holte. Aus seiner Feder stammt der 1858 veröffentlichte Kinderbuchklassiker „Martin Krpan“. Der gleichnamige Held der Erzählung ist ein zwischen der Adria und Wien verkehrender Salzschmuggler, der durch seine hünenhaften Kräfte den Kaiser vor einem Riesen rettet. Das fiktive Dorf, aus dem Martin Krpan stammt, vermutet man bis heute in der Umgebung des Schlosses.
Der Inspirationsquelle des Autors blieb – im Unterschied zum österreichischen Kaiser in der berühmten Erzählung – die Rettung verwehrt. Nachdem das herrschaftliche Anwesen wieder mehrmals den Besitzer gewechselt hatte, zogen nach dem Ersten Weltkrieg die letzten Bewohner aus dem Schloss aus und gaben es dem Verfall preis. Erhalten blieben ein paar Mauerreste und der vor kurzem renovierte Turm. Das Gelände knapp zwei Kilometer westlich der Ortschaft Zagorje ist frei zugänglich.