Bei den Ermittlungen um das Verschwinden von zwei italienischen Studenten ist es am Samstag zu einer tragischen Wende gekommen. Die Leiche der vermissten Ingenieurstudentin (22) aus Vigonovo bei Venedig wurde in einer Schlucht zwischen dem Berggebiet des Barcis-Sees und Piancavallo in der friaulischen Provinz Pordenone entdeckt, wie der im Fall ermittelnde Staatsanwalt von Venedig, Bruno Cerchi, bestätigte.
Ermittler vermuten, dass die Leiche der Studentin am Straßenrand abgelegt und dann etwa 50 Meter tief in eine Schlucht hinuntergestoßen wurde. Die Frau sei mit mehreren Messerstichen am Hals getötet worden. Die Leiche wies außerdem zahlreiche Abwehrverletzungen an Händen und Armen auf. Ob die Frau bereits tot war, als sie in die Schlucht gestürzt wurde, konnte noch nicht festgestellt werden. Die Leiche war von der Straße aus nicht zu sehen, da sie von einem großen Felsbrocken verdeckt war.
Nach der Bergung der Leiche liefen die Ermittlungen auf der Suche nach dem Ex-Freund der Toten auf Hochtouren. Die Suche nach dem jungen Mann wurde intensiv fortgesetzt, auch die Schweizer Behörden wurden eingeschaltet. Bei der Analyse seines Computers wurde festgestellt, dass er im Internet nach Bergausrüstung sowie nach Routen, Karten und Wegen in Tirol gesucht hatte. Wie italienische Medien berichten, wurde der mutmaßliche Täter Sonntagfrüh nach acht Tagen Flucht in Deutschland verhaftet. Der Mann wurde auf einer Autobahn nahe Leipzig festgenommen und befindet sich auf einer Polizeistation. Der italienische Außenminister Antonio Tajani begrüßte die Festnahme. Er dankte der deutschen Polizei für die Zusammenarbeit und versicherte, dass die Auslieferung des Festgenommenen nach Italien in wenigen Tagen erfolgen werde.
Europäischer Haftbefehl
Der Mann wird des Mordes verdächtigt. Die Staatsanwaltschaft Venedig hatte am Samstag einen europäischen Haftbefehl für den 22-jährigen Ingenieurstudenten erlassen. Er wurde international gesucht, auch in Österreich. Die österreichischen Kollegen wurden von der italienischen Polizei informiert. Laut Ermittlerkreisen war das Auto des Verdächtigten, der vor einer Woche mit seiner Ex-Freundin verschwunden war, am Mittwoch in Lienz von einer Kennzeichenlesekamera für die Straßenkontrolle registriert worden, berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Auch in Kärnten soll der schwarze Punto gesichtet worden sein. Das Gebiet von Barcis, Fundort der Leiche, liegt auf der Route, der der mutmaßliche Täter bei seiner Flucht gefolgt sei, berichteten die Ermittler. Die Staatsanwälte riefen den Studenten auf, sich der Polizei zu stellen.
Der 22-Jährige hatte seine Ex-Freundin am späten Samstag der vergangenen Woche in Vigonovo abgeholt. Die beiden wurden noch gegen 20.00 Uhr zusammen in einem Einkaufszentrum gesehen. Die Studentin schickte ihre letzte SMS um 22.43 Uhr an ihre Schwester, und das Handy ihres Ex-Freundes war zuletzt gegen 23.00 Uhr in der Gemeinde Fossò an der Riviera del Brenta ortbar – nicht weit vom Ort entfernt, an dem die junge Frau mit ihrer Familie lebte. Die beiden Studierenden waren eineinhalb Jahre ein Paar gewesen, bevor sie sich im vergangenen Sommer trennten; der Kontakt zwischen beiden riss jedoch nie ganz ab. Beide Familien erstatteten am Sonntag Vermisstenanzeige bei den Carabinieri.
Große Bestürzung
Der tragische Tod der Studentin löste Bestürzung in Italien aus. Viele Menschen pilgerten zum Haus der jungen Frau in Vigonovo und hinterließen Blumen. Die Nachricht des Mordes sei herzzerreißend, so Premierministerin Giorgia Meloni auf ihren Sozialnetzwerken. „Ich habe den Fall mit Besorgnis verfolgt und bis zuletzt auf einen anderen Ausgang gehofft. Ich hoffe, dass bald volles Licht in dieses unfassbare Drama gebracht werden kann. Ruhe in Frieden“, schrieb Meloni. Davor hatte die Vorsitzende der oppositionellen Mitte-links-Partei (PD), Elly Schlein, ihren Aufruf an Meloni erneuert, sich gemeinsam gegen Gewalt gegen Frauen einzusetzen.