Dass die SPÖ bei den nächsten Nationalratswahlen auf Platz eins gewählt und mit der Regierungsbildung beauftragt werden muss, ist für Peter Kaiser (SPÖ) "eine Notwendigkeit für den Sozialstaat". Der Kärntner Landeshauptmann setzte im Sommerinterview der Austria Presse Agentur (APA) hohe Erwartungen in den neuen Parteichef Andreas Babler und räumte ihm gleichzeitig gute Chancen ein. Auf Landesebene seien Armutsbekämpfung und Energienutzung die großen Themen für die "Nachhaltigkeitskoalition".
Angesprochen auf die aktuellen, gesellschaftlichen Entwicklungen ist für Kaiser "der vernünftige, auf neue Entwicklungen reagierende Ausbau des Sozialstaates unverzichtbar". Das Ziel für die SPÖ bei den bevorstehenden Nationalratswahlen sei daher Platz eins und die Möglichkeit zur Regierungsbeteiligung, legte Kaiser die Latte für die kommende Nationalratswahl hoch. Andreas Babler räumt er dafür gute Chancen ein, denn dieser könne als der Neueste in den Spitzenpositionen mehr frische inhaltliche Überlegungen mit einbringen. Auch wenn viele Umfragen derzeit die FPÖ an der Spitze sehen, geht Kaiser davon aus, dass "eine immense Dynamik noch im nächsten Jahr entstehen wird. Wir haben eine gewisse Grundinstabilität als eine neue Normalität, und daher bin ich überzeugt, dass sich noch sehr viel tun wird."
Auf die Frage nach möglichen Koalitionspartnern im Bund blieb der Landeshauptmann zurückhaltend: "Ich halte die SPÖ und vielleicht auch die ÖVP für Parteien, die eher in Richtung eines gesamtgesellschaftlichen Konzeptes gehen." Dies fehle ihm bei der FPÖ, da gehe es nur um Feindbilder. Die Grünen seien eine Partei mit relativ klarem Fokus, aber eben auch eine eher junge Partei. "Ich kann es nur von mir sagen, ohne damit jemandem Ratschläge erteilen zu wollen, ich habe nach jeder Wahl mit allen Parteien gesprochen", so Kaiser. Vor einer Koalitionsentscheidung müsse jedoch "klar abgewogen werden, mit wem kann man auf Basis welcher Werte was für Österreich und seine Menschen erreichen".
Personelle Diskussionen beendet
Die Zusammenarbeit mit der Bundes-SPÖ unter Babler sei eine, die "sicherlich jetzt erst in den Anfangsschuhen steckt". Für Kaiser sei es jedenfalls erfreulich, dass personelle Diskussionen nun ein Ende gefunden hätten und dass "dieses Waterloo, dass wir uns selbst zugefügt haben" hinter politischen Forderungen wie der 32-Stunden-Woche, Tempo 100 oder Maßnahmen gegen die Teuerung gerückt sei. Zu Hans-Peter Doskozil habe er guten Kontakt, erst kürzlich sei die Übergabe des Landeshauptleutevorsitzes gemacht worden. Kaiser sei bewusst, dass über Konflikte mehr Interesse erzeugt werde, als über konstruktive Zusammenarbeit. "Ich denke, dass hier ein entsprechendes Maß an Geschlossenheit unverzichtbar ist, was aber nicht heißt, dass es eine Meinungskonformität in jeder Frage um jeden Preis geben muss", meinte Kaiser.
Babler hatte kürzlich eine Überarbeitung des Positionspapiers "Flucht - Asyl - Migration - Integration" avisiert, das 2018 unter der Federführung von Kaiser und Doskozil ausgearbeitet wurde. Kaiser sieht dies als einen notwendigen Schritt, um adäquat auf die sich veränderten Gegebenheiten der Fluchtbewegungen reagieren zu können. Neben Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen werde Europa auch mit Klimaflüchtlingen umgehen müssen, eventuell sogar aus europäischen Regionen. Kaiser sieht darin auch eine Chance, den Arbeitskräftemangel auszugleichen: "Ich glaube, nahezu alle europäischen Länder brauchen Zuzug. Das muss organisiert werden. Das kann man nicht als kurzfristiges Projekt sehen, das muss man mittel- und längerfristig aufbauen."
Schlüsselfaktor Bildung
Nach etwas mehr als 100 Tagen "Nachhaltigkeitskoalition", die er in seiner dritten Amtszeit leitet, sieht Kaiser den Kampf gegen die Kinderarmut, die Kostenfreiheit von Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie eine nachhaltige Energienutzung als die drei herausragendsten Errungenschaften seiner Amtsführung an. Bildung sei ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen Armut, daher soll bis 2028, noch in dieser Legislaturperiode, das im Februar beschlossene Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz in Kärnten umgesetzt werden. Ein wesentliches Element dieses Vorhabens sei die Attraktivierung der Berufe in diesem Bereich, die man gemeinsam mit Graz durch zusätzliche Bildungsmaßnahmen erreichen möchte. Der durch den Koralmtunnel entstehende Zentralraum soll dies erleichtern. "Mein Anspruch ist, dass niemand unter der Armutsgrenze ist. Auch wenn das utopisch erscheinen mag, ist es ein Ziel", sagte Kaiser, der Geldnot und Existenzängste als Kind selbst erlebt hatte. Dass die Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen in Kärnten ab September weitgehend kostenfrei sein werden, sei "eine der wirksamsten Maßnahmen gegen Kinderarmut und Teuerung."
Letztere müsse aus seiner Sicht auch vonseiten der Bundesregierung besser abgefedert werden. Dass etwa Lebensmittel hierzulande teurer sind als in den Nachbarländern, läge an der fehlenden Preiskontrolle. "Ich bin für amtliche Preisregulierung, vor allem für Grundnahrungsmittel und Grundhygienemittel. Diese Sachen müssen leistbar sein und es darf niemals dazu führen, dass sich ein Mensch nicht mehr waschen kann, egal welche Inflationsrate wir haben", so Kaiser. Der Teuerung wolle man auf Landesebene in Zukunft zumindest mit einem transparenten Preisvergleichsportal entgegensteuern. Auch ein gerechteres Abgabensystem würde viel bewirken, sagte er mit Blick auf Vermögens- oder Erbschaftssteuern. Laut der Österreichischen Nationalbank besitze das oberste Prozent der Österreichischen Bevölkerung gleich viel wie die unteren 50 Prozent, einige wenige "Großmilliardäre" würden eine derartige Besteuerung vermutlich nicht einmal spüren. "Man könnte in Österreich mit nicht einmal so viel Aufwand die Armut nachhaltig verbannen", ist Kaiser überzeugt.
"Energieeffizienz steigern"
Im Umgang mit der Klimaerwärmung und der Energienutzung verwies Kaiser als Chef der Kärntner "Nachhaltigkeitskoalition" auf sein Regierungsprogramm. Die Formel laute "erstens Energieeffizienz steigern, zweitens Energiesparen in den Mittelpunkt rücken und drittens ein Mix aus Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik". Dies abgerundet durch eine Verstärkung der Strominfrastruktur soll die Energienutzung des Landes unabhängig und nachhaltig machen. Die Klimaerwärmung sei ein globales Problem, das gemeinsames Handeln erfordere. "Wenn wir uns auch immer schon als sehr fortschrittlich sehen, dann sollten wir dem einmal nachkommen und auch mit gutem Beispiel vorangehen", sagte Kaiser auf die Frage, was das "kleine" Österreich denn groß bewirken könne. Die Auswirkungen bemerke man auch bei uns, wie erst kürzlich bei den heftigen Unwettern in Kärnten zu sehen. Um Schäden in Zukunft vorzubeugen, brauche es neben Schutzbauten auch Frühwarnsysteme sowie Veränderungen beim Katastrophenfonds des Bundes. Er selbst würde jedenfalls seinen potenziellen Enkelkindern gerne eine intakte und lebenswerte Umwelt hinterlassen.