Derzeit ist der Almauftrieb in Kärnten im Gang. Der Trend zur Rückläufigkeit sei schon abzusehen, meinte Josef Obweger, Obmann des Kärntner Almwirtschaftsvereins, der die aktuelle Österreichische Almwirtschaftstagung in Millstatt organisiert hat. In den letzten zwei Jahren seien um 800 Tiere weniger aufgetrieben worden, was auch auf die verstärkte Präsenz des Wolfes zurückzuführen sei. "2022 schien es, als würde es Wölfe regnen", schilderte Kärntens Wolfsbeauftragter Roman Kirnbauer.
Man habe 28 Wölfe nachgewiesen, 2019 und 2020 nur jeweils einen. Heuer habe es schon 52 Risse gegeben, letztes Jahr 399. "Alle drei Jahre verdoppelt sich der Wolf mit Zuwachsraten von 32 Prozent." Er sei klug und umgehe Herdenschutzmaßnahmen. "Regulative Eingriffe sind notwendig, um den Wolf scheu zu halten."
Wenig Hoffnung auf eine Aufweichung der Schutzbestimmungen machte der aus Brüssel angereiste Generaldirektor für Naturkapital in der Umweltgeneraldirektion der EU-Kommission, Humberto Delgado Rosa, dem eine Resolution, unterschrieben von Vertretern von 122 Organisationen wie Alpenverein, Gemeindebund, Bio Austria Kärnten, Kärnten-Werbung und allen Tourismusverbänden, überreicht wurde. "Wir wollen die großen Raubtiere und Fleischfresser bewahren." Doch das bedeute nicht, dass sie nicht getötet werden könnten. "Das obliegt den Mitgliedstaaten, wie sie das definieren." Wolfsfreie Zonen wären eine Möglichkeit, stünden aber in Widerspruch zum Gesetz der Gleichbehandlung in der EU. Delgado Rosa plädierte für Herdenschutz. An Koexistenz führe kein Weg vorbei.
Er habe noch keinen leistbaren und zumutbaren Herdenschutz kennengelernt, meinte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Auf der Stilfser Alm habe ein Herdenschutz-Projekt für 300 Schafe 70.000 Euro gekostet, führte Daniel Lasser vom Südtiroler Bauernverband aus. "Das sind pro Schaf und Sommer 200 Euro Kosten." 67 Prozent der Almen hätten weniger als 20 Hektar Almweidefläche für weniger als 100 Tiere, sagte Obweger. "Da rentiert sich ein Hirte nicht." Wenn jede Schaf- und Rinderherde in Kärnten Herdenschutzhunde hätte, würde das dem Tourismus zum Problem gereichen, denn es gebe viele Nachweise, dass Touristen gebissen worden seien, mahnte Obweger. Zäune als Herdenschutz hätten sich in der Praxis auch nicht bewährt, führte Landwirtschaftskammer-Präsident Siegfried Huber an. "Der Wolf springt drüber. Es muss Entnahmemöglichkeiten geben."
Das Aufkommen des Wolfes fördere den Strukturwandel, immer mehr Almen würden verbuschen, Biodiversität und Existenzen gingen verloren, fürchtet Alminspektorin Ursula Karrer. Statt über die EU zu schimpfen, sollten die Mitgliedsstaaten ihre Möglichkeiten ausschöpfen, plädierte Totschnig. "Wir müssen Allianzen bilden und gemeinsam gegen die Kommission auftreten. Wir fordern ein europaweites Wolfsmanagement."
Protestnote an die Europäische Kommission
Video-Umfrage: Haben Sie Angst vor Wölfen und Bären?
Elke Fertschey