Im Vorjahr gab es in Österreich sieben Prozent weniger Scheidungen. Geht den Anwälten die Arbeit aus?
Peter RIEDEL: Nein. Aber was mir auffällt, ist, dass es viele einvernehmliche Trennungen gibt, die vernünftig ablaufen. Das hängt wohl auch mit den jüngeren Generationen zusammen und damit, dass es immer mehr Frauen gibt, die wirtschaftlich selbstständig sind. Und es lassen sich viele Paare scheiden, die im Pensionsalter sind. Wenn die Kinder aus dem Haus sind, haben sie einander oft nicht mehr viel zu sagen und die Ehe wird zur Belastung. Dann folgt die Trennung.
TANJA GEWOLF-MULLEY: Im einfachsten und schnellsten Fall kommt es zur einvernehmlichen Ehescheidung. Grundvoraussetzung dafür ist eine Einigung in sämtlichen Punkten. Ein Scheidungsvergleich wird oftmals von einem Partner mit seinem Anwalt ausgearbeitet. Wichtig ist dabei immer, dass auch der andere Partner den Vergleich von einem Anwalt gegenchecken lässt und erst danach unterschreibt.
Sie sind langjährige Anwälte. Wie viele Scheidungen haben Sie miterlebt?
Wir haben es grob ausgerechnet. Jeder von uns hat mehr als 100 Scheidungen gemacht.
Wie kurz war die kürzeste Ehe, bei der Sie einschreiten mussten?
GEWOLF-MULLEY: Ich hatte ein Paar, das war acht Wochen verheiratet und wollte dann die einvernehmliche Scheidung. Sie mussten aber warten, denn für eine einvernehmliche Scheidung muss man auf dem Papier mindestens sechs Monate verheiratet sein.
RIEDEL: Ich hatte auch so ein Paar. Die beiden waren vorher zehn Jahre zusammen. Dann haben sie geheiratet und wollten innerhalb von drei Monaten die Scheidung, die Beziehung war doch schon vor der Hochzeit so schlecht, dass sie auch als Ehe keine Zukunft haben konnte.
GEWOLF-MULLEY: Das älteste Paar, bei dem ich die Scheidung begleitet habe, war schon über 80. Das jüngste erst 20.
Versöhnungen erleben Sie nie mit?
GEWOLF-MULLEY: Na ja. Es gibt immer wieder einmal Paare, die nach der Scheidung erneut heiraten. Ich kann mich an einen Mann erinnern, der ließ sich scheiden. Dann hat er noch zweimal geheiratet, ließ sich jedes Mal wieder scheiden und heiratete dann wieder die erste Frau. Aber es endete wieder mit einer Scheidung.
RIEDEL: Ich habe tatsächlich einmal eine Versöhnung im Gerichtssaal miterlebt. Er verlangte die Trennung, warf ihr Lieblosigkeit und Vernachlässigung des Haushalts vor. Bei Gericht haben die beiden dann das erste Mal seit Langem wieder miteinander geredet und gemerkt, dass sie ein Paar bleiben wollen. Die Scheidung war vom Tisch.
Vernachlässigung des Haushalts als Scheidungsgrund? Das klingt wie aus einer anderen Zeit?
RIEDEL: Ja. Bei den sogenannten Hausfrauen-Ehen, die immer seltener werden, wird das oft als Scheidungsgrund genannt.
GEWOLF-MULLEY: Nicht kochen, den Haushalt nicht führen ... Von Männern wird das tatsächlich immer noch als Scheidungsgrund vorgebracht. Wobei man den Vorwurf schnell entkräften kann. Und zwar mit dem Argument, dass, wenn beide Partner arbeiten, den Haushalt ja beide machen können.
Was sind die häufigsten Trennungsgründe?
TANJA GEWOLF-MULLEY: Nach wie vor das Fremdgehen. Hat man einen Anfangsverdacht, sollte man umgehend Beweise sammeln. Ein weiterer Hauptgrund ist Gewalt. Ich kenne Frauen, die jahrelang misshandelt wurden. Und Männer, die das als nicht schlimm wahrgenommen haben. Nicht zu glauben, wie oft das vorkommt. Wenn die Frau dann geht, wirft ihr der Mann im Scheidungsverfahren noch böswilliges Verlassen vor. Sogar das passiert.
RIEDEL: Bei Gewalt in der Ehe gibt es übrigens so gut wie nie Einsicht oder eine einvernehmliche Lösung. Diese Scheidungen sind oft strittig. Beim Fremdgehen kommt es eher zu einvernehmlichen Lösungen.
Wie belastend ist es, wenn man so oft mit Beziehungsproblemen zu tun hat? Haben Sie den Glauben an die Ehe noch nicht verloren?
GEWOLF-MULLEY: Nein. Ich bin ja selbst verheiratet.
RIEDEL: Ich auch seit mehr als 30 Jahren. Belastend sind Scheidungsverfahren dann, wenn die Trennung über die Kinder ausgetragen wird. Wenn Partner die Kinder ausnutzen, sie über den anderen Partner ausfragen und in Loyalitätskonflikte bringen.
GEWOLF-MULLEY: Kinder werden oft regelrecht gegen den anderen aufmunitioniert. Oft heißt es, das Wichtigste sind die Kinder, dann merkst du, dass das Kindeswohl ganz hinten angestellt wird und dass das Vermögen und das Schlechtmachen des ehemaligen Partners vor den Kindern wichtiger sind.
Was raten Sie da?
GEWOLF-MULLEY: Mediation kann helfen. Ziel einer Mediation ist, dass man im Zuge einer Trennung wieder miteinander reden kann, und zwar auf einer Ebene ohne Beschimpfungen. Danach kann man die Scheidungsvereinbarung vernünftig besprechen und gestalten.
RIEDEL: Bei der Gelegenheit müssen Paare schauen, dass sie von der WhatsApp-Kommunikation wegkommen. Was im Zuge von Trennungen geschrieben wird, kann oft die letzte gemeinsame Basis zerstören. Es ist so schnell getippt. Mit dem Handy werden Giftpfeile hin- und hergeschossen, als ob alle Hemmschwellen weg wären.